Gesundheit: Neue Untersuchungsmethode der Max-Planck-Gesellschaft soll Fragen des Vogelzugs klären
An der Forschungsstelle für Ornithologie der Max-Planck-Gesellschaft in Seewiesen (bei Starnberg, Bayern) geht jetzt ein Windkanal in Betrieb, in dem Vögel unter kontrollierten Bedingungen im freien Flug untersucht werden können. Die Forscher erhoffen sich durch diese ergänzende Methode rasche Fortschritte bei der Untersuchung des Vogelzugs.
An der Forschungsstelle für Ornithologie der Max-Planck-Gesellschaft in Seewiesen (bei Starnberg, Bayern) geht jetzt ein Windkanal in Betrieb, in dem Vögel unter kontrollierten Bedingungen im freien Flug untersucht werden können. Die Forscher erhoffen sich durch diese ergänzende Methode rasche Fortschritte bei der Untersuchung des Vogelzugs. Schwerpunkt der Forschungen ist dabei die Ökophysiologie.
Mit der neuen Methode wollen die Forscher vor allem Rückschlüsse darauf ziehen, wie die Tiere während der weiten Strecken, die sie in Frühjahr und Herbst beim Wechsel zwischen ihren Quartieren zurücklegen, mit der Energie und dem Wasser haushalten. Überdies ist noch zu untersuchen, wie die Organe dabei arbeiten können und wie die Vögel auf den weiten Distanzen ihr Schlafbedürfnis befriedigen.
Denn noch weitgehend ungeklärt ist, was Zugvögel leisten, um solche Barrieren überqueren zu können, wie sie etwa das Mittelmeer oder die Sahara darstellen. Welche Bedeutung kommt dabei der Umgebungstemperatur und dem Wind zu? In welchem Ausmaß regenerieren sie auf der Rast ihre Energiereserven? Auf Grund welcher Kriterien "entscheiden" sie, ob sie weiterziehen oder nicht? Welche Bedeutung haben die drastischen Umbildungen von Organsystemen während des Zuges oder bei der Rast? So wird zum Beispiel der Verdauungstrakt während einer Zugnacht um mehr als dreißig Prozent reduziert.
Gegenüber der Gesamtlänge des Windkanals von immerhin zwanzig Metern nimmt sich die eigentliche Flugkammer vergleichsweise klein aus. Sie ist 122 Zentimeter breit, 108 Zentimeter hoch und 168 Zentimeter tief. Dennoch können in dem neuen Windkanal Vögel mit einer Spannweite von bis zu achtzig Zentimetern getestet werden. Das schließt Watvögel ebenso ein wie Enten und sogar kleine Falken.
Die Seewiesener Wissenschaftler werden zunächst aber Rauschschwalben, Fitis, Grauschnäpper, Sprosser, Rosenstare und Turteltauben testen. Im Gegensatz zu Windkanälen aus der industriellen Forschung, bei denen das Objekt stets fest montiert ist, fliegen die Vögel hier frei in der Testkammer herum. Natürlich müssen sie zuvor an die neue Situation gewöhnt werden.
Bisher haben die Wissenschaftler der Forschungsstelle für Ornithologie Daten über den Vogelzug sowohl im Labor als auch im Freiland erhoben. Im neuen Windkanal lassen sich nun die Freilanddaten unter kontrollierten Bedingungen überprüfen. So werden im Test zum Beispiel die Einflussgrößen Umgebungstemperatur und Windgeschwindigkeit vorgegeben. Beide sind stufenlos regelbar, bis zu einer minimalen Windgeschwindigkeit von 38 Metern pro Sekunde.
Durch die Projektion eines künstlichen Sternenhimmels über den Testtieren lässt sich zudem die natürliche Flugroute der jeweiligen Art simulieren. Die Dauer des Fluges bestimmt der Vogel selbst. Vor und nach dem Flug wird seine körperliche Verfassung durch Messungen ermittelt, da geht es etwa um die Blutwerte, aber auch um das Körpergewicht.
Der Windkanal steht jedoch nicht nur den Seewiesener Wissenschaftlern zur Verfügung. Viele der Untersuchungen werden in Zusammenarbeit mit Forschergruppen in den USA und Israel vorgenommen. Aber auch externe Gruppen sollen die Möglichkeit erhalten, eigene Projekte im Windkanal durchzuführen.
Herbert Biebach von der Forschungsstelle für Ornithologie - er hat den Bau des Windkanals angeregt - ist zuversichtlich, dass diese neue Untersuchungsmethode die Erforschung des Vogelzuges "rasch ein gutes Stück weiterbringen wird".
Margit Enders