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Japans Premierminister Fumio Kishida zeigt sich nach dem Rauchbombenanschlag unverletzt - und siegessicher.

© AFP/Kazuhiro Nogi

Anschlag auf Japans Premier Fumio Kishida: Wie sicher ist das Land noch?

Japan gilt als Nation der Sicherheit. Doch der Anschlag auf Premier Kishida geschah neun Monate nach dem tödlichen Attentat auf Shinzo Abe. Muss das Land vor dem G7-Gipfel im Mai umdenken?

„Ist es da auch sicher?“, fragen Menschen in Japan häufig ihre Freunde, wenn diese eine Reise ins Ausland planen. Diese Sorge dient im ostasiatischen Land immer auch als eine Art patriotische Vergewisserung: Hier, in Japan, kenne man viele Probleme ja gar nicht. Die Kriminalitätsrate ist niedrig, geklaut wird fast nie, Polizisten wirken eher beschützend als einschüchternd, Demonstrationen verlaufen meist friedlich. Japan gilt als Nation der Sicherheit.

Doch inwieweit dieses Bild noch akkurat ist, wird im Land seit dem Wochenende wieder intensiv diskutiert. Am Samstag wurde Premierminister Fumio Kishida mit einer Bombe beworfen, als er bei einer Kampagnenveranstaltung im Vorfeld von Lokalwahlen sprach.

Kishida überlebte den Vorfall, trat am selben Nachmittag an anderen Orten der westlichen Präfektur Wakayama erneut auf. „Uns steht eine wichtige Wahl bevor!“, rief er kampfeslustig. Doch ebenso wie um Selbstsicherheit dürfte es sich beim demonstrativen Weitermachen des Premiers um Angst gehalten haben.

Tatmotive sind noch unklar

Denn der Vorfall ruft Erinnerungen an den Juli vergangenen Jahres wach, als der Ex-Premier Shinzo Abe, ebenfalls bei einer Wahlkampfveranstaltung, erschossen wurde. Der Mord an Abe sorgte auch deshalb weltweit für Aufsehen, weil er sich im als sicher bekannten Japan ereignete.

Der mutmaßliche Täter wurde noch am Tatort in Wakayama festgenommen.

© imago/Kyodo News/imago

Der Täter ist der Sohn einer Frau, die von einer Sekte in den finanziellen Ruin getrieben worden war, die mit Abe in Kontakt stand. Politisch schlug der Fall hohe Wellen, provozierte Rücktritte von Politikern mit ähnlichen Verbindungen. In Bezug auf die öffentliche Sicherheit galt das Attentat aber als Einzelfall.

Mit dem Anschlag auf Kishida wirkt dies ungewiss. Dies offenbaren auch die Statements, die seitdem abgegeben werden und kaum in ein Land passen, das keine Sicherheitsprobleme hat.

Der liberale Oppositionspolitiker Kenta Izumi mahnte: „Politische Aktivitäten dürfen niemals durch Gewalt oder Einschüchterung gestört werden.“ Isao Itabashi, Anti-Terror-Experte des Thinktank Nihon Sousei Kaigi, kommentierte: „Die Sicherheit bei Wahlveranstaltungen müssen wir überdenken.“ Die Zeitung Yomiuri Shimbun legte gleich eine Liste mit Attentaten aus vergangenen Zeiten vor.

Unterdessen wird – wie im vergangenen Sommer auch nach dem Attentat auf Shinzo Abe – über den Täter spekuliert. Die Polizei hat am Sonntag die Wohnung eines 24-Jährigen durchsucht. Er wurde noch am Vortag festgenommen, direkt nachdem er ein zylindrisches Objekt geworfen hatte, das dann explodierte.

Zwar hätte diese Rauchbombe Kishida wohl kaum töten können, aber der mutmaßliche Täter führte eine weitere Bombe sowie ein Messer mit sich. In dessen Wohnung wurden dann Kartons sichergestellt, die Sprengstoff enthalten könnten. Die Tatmotive bleiben bisher unklar.

Verschärfte Sicherheitslage durch G7-Gipfel

So steht nun auch die Frage im Raum, ob das Abe-Attentat vom Juli 2022 für einige Personen Terror als Ausdruck von Unzufriedenheit legitimiert hat.

Im ostasiatischen Land, wo Rücksicht und Empathie als hohe Güter des sozialen Zusammenlebens geschätzt werden und das Wort „wa“ – ein Begriff für Harmonie – zugleich als Synonym für Japan als Ganzes gilt, sind solche Fragen zutiefst verstörend. Und sie kommen politisch gesehen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.

Denn nicht nur stehen am kommenden Wochenende Lokalwahlen an. Japan hat aktuell den G7-Vorsitz inne, am Sonntag ist Annalena Baerbock zum G7-Außenministertreffen ins Land gereist.

In einem Monat konferiert Fumio Kishida in Hiroshima mit den Regierungsoberhäuptern aus den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Italien. Japan will sich hier als geopolitisches Schwergewicht präsentieren, das im pazifischen Raum dem aufstrebenden China Paroli bietet.

Da sorgt ein soziales Klima, in dem Politiker sowie öffentliche Veranstaltungen weniger sicher als zuvor erscheinen, für Nervosität. Schon im Frühling vergangenen Jahres, also noch vor dem Attentat auf Shinzo Abe, ergab eine Umfrage der Regierung, dass zwar 85 Prozent der Bevölkerung ihr Land für sicher hielten, aber mehr als die Hälfte auch eine Verschlechterung wahrnahmen.

Wenig überraschend kündigte Premierminister Fumio Kishida am Sonntag erhöhte Sicherheitsmaßnahmen an. Wobei hat er das auch schon nach dem Attentat auf Shinzo Abe getan hat.

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