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Ein Biss für Viktor Orbán: Die Satire-Partei „Hund mit Doppelschwanz“ regiert Budapests Edelbezirk
Gergely Kovács kann es immer noch kaum fassen: Seit Oktober ist der Chef einer Satire-Partei Bürgermeister im reichsten Bezirk der ungarischen Hauptstadt. Wie konnte das passieren?
Stand:
Er hatte mehr Lampenfieber als das Brautpaar. „Ich musste Hemd und Sakko anziehen und als Amtsträger auch noch die rot-weiß-grüne Schärpe quer über der Brust tragen. Ich dachte, ich schaffe es nicht einmal, die Begrüßung vorzulesen“, sagt Gergely Kovács. „Das war zu viel Stress für mich.“ Seit dem 1. Oktober ist der Webdesigner und Co-Vorsitzende der Partei „Hund mit Doppelschwanz“ Bürgermeister des 12. Bezirks von Budapest.
Brautpaare können beantragen, dass der 44-Jährige in dieser Funktion bei ihrer Eheschließung anwesend ist. Seine Feuertaufe habe er zum Glück dann doch ohne größere Schnitzer bestanden, sagt Kovács. Obwohl all das für ihn, der am liebsten Jeans und T-Shirt trägt, noch neu und ungewohnt ist.
Die Hundepartei wurde 2006 zuerst als Verein gegründet und nicht als Partei, da das zuständige Gericht den Namen für unsittlich hielt. 2014 gelang es dann trotzdem, „Hund mit Doppelschwanz“ offiziell als Partei eintragen zu lassen. Ziel war damals, sich über die „ernsthaften“ Parteien und Politiker, deren Bestechlichkeit und die Korruption im Land lustig zu machen. Doch als immer mehr „Passivisten“, wie die Mitglieder genannt werden, sich der „Hundebewegung“ anschlossen, stieg auch ihr inhaltlicher Anspruch.
Sie reparierten Gehwege und Bushaltestellen
Neben Spöttelei und Slogans wie „Freibier und ewiges Leben für alle!“ entstand der Wunsch, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Die Hundebewegung reparierte rissige Bürgersteige und renovierte heruntergekommene Bushaltestellen. Diese halblegalen Aktionen erregten viel Medieninteresse – und so gewann Parteichef Kovács bei den Kommunalwahlen 2019 zunächst ein Direktmandat für den Gemeinderat des 12. Bezirkes.
Und das ist nicht irgendeiner der 23 Bezirke der ungarischen Hauptstadt.
„Der Zwölfte“ mit seinen 57.000 Einwohner wird wegen seiner schönen Lage auch „Bergland“ genannt. Hier wohnt die feine Gesellschaft, die Schönsten und die Reichsten der Stadt. Ganz oben in dem hügeligen Bezirk befindet sich die Cinege-Straße, die Meisen-Straße. In Haus Nummer 5 residieren die wohl berühmtesten Bewohner der Stadt: Viktor Orbán und seine Familie.
Mit Orbáns politischem Aufstieg wurde der Bezirk Hochburg seiner National-Konservativen und seit 1998 von der Fidesz-Partei regiert. Doch im Juni 2024 kam es zum radikalen Wechsel: Bei den Kommunalwahlen – die zusammen mit der Europa-Wahl abgehalten wurden – gelang Kovács von der Hunde-Partei ein Coup, der seinesgleichen sucht.
Mit mehr als 53 Prozent der Stimmen wurde er zum Bürgermeister gewählt, seine Partei räumte alle Direktmandate in der Bezirksversammlung ab. Und nicht nur im zwölften Bezirk waren sie erfolgreich: Die „Hunde“ ergatterten mehr als 50 weitere Mandate in anderen Budapester Bezirken und größeren Städten des Landes.
Wie konnte das passieren?
Seinen Erfolg erklärt Gergely Kovács damit, dass er in den vergangenen Jahren konsequent versucht hat, die verschiedenen Korruptionsfälle, besonders bei öffentlichen Ausschreibungen, Baugenehmigungen und Verkäufen kommunaler Wohnungen aufzudecken.

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„Ich habe die E-Mails der Wähler stets binnen 24 Stunden beantwortet und wenn sie ihre Telefonnummer angegeben hatten, dann rief ich sie an. Die Leute waren erstaunt und gleichzeitig dankbar – sie sind nicht daran gewöhnt, mit ihren Bezirksabgeordneten zu telefonieren.“ Mit mindestens 5000 Menschen habe er gesprochen.
Beim Gespräch mit dem Tagesspiegel sitzt er in seinem Büro im Rathaus, das mit sehr einfachen Möbeln eingerichtet ist. „Die sind neu“, sagt er. „Als wir die Räume übernommen haben, fanden wir nur ein paar Stühle. Ganz so, als hätte der frühere Fidesz-Bürgermeister, der seit 2006 das Bergland regierte, keinen Schreibtisch gehabt“, fügt er lächelnd dazu.
Außerdem hätten die meisten Bewohner im „Bergland“ einen Uni-Abschluss und glaubten nicht der Regierungspropaganda. Sie hätten zudem gesehen, wie die „neuen nationalen Kapitalisten“ sich mithilfe Orbáns bereicherten und mit ihren Neubau-Luxusvillen die Natur in der Stadt „schamlos zerstörten“.
Schmierkampagnen und Hetze
Die Folgen von Propaganda und Rufmordkampagnen, bekam auch Kovács zu spüren: Weil er öffentlich zugegeben hatte, ein paar Joints geraucht zu haben, wurde er von den regierungsnahen Medien als gefährlicher Drogensüchtiger dargestellt.
In den nationalen Umfragen kommt die Hundepartei auf drei bis vier Prozent. „Wenn wir bei den nächsten Wahlen, im Jahr 2026, nicht die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, werde ich keine Träne weinen“, gibt der Bezirksbürgermeister zu.

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Die Zeiten seien rauer als früher: Man müsse sich auf schwierigem Terrain behaupten und gegen seine Gegner durchsetzen, wie das von dem neuen Oppositionsführer, Péter Magyar, bereits betrieben werde. „Außerdem wird sehr emotional gewählt. Die Menschen unterstützen den Politiker, der Orbán und seine Fidesz-Zweidrittel Mehrheit besiegen kann. Und das ist heute eindeutig Péter Magyar.“
Nach einigen Umfragen haben der liberalkonservative Politiker und seine TISZA-Partei Orbán und Fidesz bereits überholt. Die Frage ist nur: Wie lange hält Magyar es aus, jeden Tag Zielobjekt neuer Schmierkampagnen zu sein?
Mit dem nationalen Wahlkampf will Kovács lieber nichts zu tun haben. Stattdessen konzentriert er sich auf Reformen in seinem Amtsgebiet: „Ab 2025 wird hier im Bergland das Grundsteuer für Wohnanlagen, die größer als 200 Quadratmeter sind, um 30 Prozent erhöht. Diese Regelung gilt auch für den Inhaber der Immobilie in der Meisen-Straße 5.“ In Anspielung an die Korruptionsskandale, in die Orbáns Fidesz-Partei verwickelt sein soll, sagt er: „Wir holen damit der Gesellschaft ein wenig des gestohlenen Geldes zurück.“
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