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Arizona in Belgien: Die Koalitionspartner dürften einen extremen Rechtsruck verhindern
Nach mehr als 230 Tagen steht in Belgien eine neue Regierung: Bart De Wever, ein Kämpfer für die Unabhängigkeit Flanderns, wird sie führen. Was bedeutet das fürs Land?
Stand:
Am Ende ging alles überraschend schnell. Nach 236 zähen, bisweilen dramatischen Verhandlungstagen hat Belgien eine neue Regierung. Eine rechte Koalitionsregierung.
In der Nacht auf Samstag fuhr der zukünftige Premierminister Bart De Wever beim belgischen König Philippe im Palast vor und überbrachte ihm die Erfolgsnachricht.
Dem Rest der Welt verkündete der 54-Jährige die Einigung mit einem Foto beim Kurznachrichtendienst „X“. „Alea iacta est“ („Die Würfel sind gefallen“), schrieb er erleichtert.
Die national-konservative N-VA wird gemeinsam mit der liberalen Partei MR aus der französischsprachigen Wallonie, den Christdemokraten aus beiden Landesteilen (Les Engagés und CD&V) sowie den flämischen Sozialdemokraten (Vooruit) eine sogenannte Arizona-Koalition eingehen.
Der Name ergibt sich aus den Farben der Parteien, die mit denen der Flagge des US-Bundesstaates übereinstimmen
Die Parteien haben sich am Ende nicht nur gegenseitig massiv unter Druck gesetzt. In Umfragen kam immer offener die Ungeduld der Wähler zum Ausdruck. Über die Hälfte von ihnen sprach sich schließlich dafür aus, dass es in Zukunft zwingend zu Neuwahlen kommen muss, sollte nach einem halben Jahr keine Regierung stehen.

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Der Ärger der Belgier ist verständlich, obwohl sie in Sachen Koalitionsverhandlungen leidgeprüft sind. Nach der Wahl 2019 stand die Regierung in Brüssel erst nach 493 Tagen. 2010 vergingen zwischen dem Wahltag und der Vereidigung der neuen Koalition sogar 541 Tage.
Eigentlich sah es nach schneller Einigung aus
Dabei standen die Zeichen dieses Mal gut für eine schnelle Einigung. Bei den Wahlen im Juni hatten sich in den beiden traditionell rivalisierenden Landesteilen zum ersten Mal Parteien durchgesetzt, die politisch auf einer Wellenlänge liegen.
In Flandern gewann die national-konservative N-VA, in der Wallonie siegten die Liberalen. Ziel beider Parteien ist der Abbau der horrenden Schuldenlast Belgiens – auch durch tiefe Einschnitte in den seit Jahren ausufernden Sozialstaat. Auf diese Weise soll die lahmende Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden.
Bereits im November schien eine Einigung zum Greifen nahe, dann aber sprangen die flämischen Sozialdemokraten ab. Sie wollten etwa eine höhere Besteuerung von Superreichen.
Die sozialdemokratische Partei Vooruit ist nun aber doch wieder an Bord. Daher wird nicht erwartet, dass sie sich den von Bart de Wever angekündigten drastischen Reformen widersetzen wird.
Mit Belgien wird nun ein weiterer EU-Staat von einer rechten Regierungskoalition angeführt. Die flämischen Nationalisten werden in der Arizona-Koalition allerdings von den vier anderen Mitte-Parteien ausgebremst. Ein drastischer Rechtsruck ist daher kaum zu erwarten.
Der Erfolg der Koalition wird vor allem vom Geschick Bart de Wevers abhängen, der als N-VA-Chef über Jahre immer lautstark für die Unabhängigkeit von Flandern kämpfte.
Nun wird er die Verantwortung für ganz Belgien übernehmen müssen
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