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Palästinenser vor den Trümmern eines Wohnhauses im Gazastreifen, das bei israelischen Angriffen zerstört wurde.

© REUTERS/Mahmoud Issa

Hamas und Israel vor entscheidenden Verhandlungen: Gibt es nun endlich Frieden im Gazastreifen?

Seit beinahe zwei Jahren führen Israel und die Hamas Krieg gegeneinander. Nun gab es positive Signale der Islamisten, es wird wieder verhandelt. Doch es bleiben Zweifel.

Stand:

Ein Ende des Gazakrieges, endlich Frieden in Nahost: Es klingt wie eine Utopie. Beinahe zwei Jahre nach dem 7. Oktober 2023, an dem die islamistische Hamas ihr Massaker in Israel anrichtete, scheint Bewegung in den verfahrenen Konflikt zu kommen.

Die Terrororganisation erklärte sich am Freitagabend dazu bereit, alle israelischen Geiseln, tot und lebendig, im Austausch gegen palästinensische Gefangene freizulassen.

US-Präsident Donald Trump hatte zuvor den Druck auf die Islamisten deutlich erhöht. Bis Sonntag hatte er ihnen eine Frist gesetzt, um dem seinem Plan zuzustimmen, ansonsten werde „die Hölle ausbrechen“. Nach Zustimmung sollen die Islamisten 72 Stunden Zeit bekommen, die 48 israelischen Geiseln Israel zu übergeben. 20 von ihnen sollen noch am Leben sein.

Und auch die Israelis schienen zunächst zu Friedensverhandlungen bereit zu sein. Das Militär stoppte zumindest vorerst die Offensive im Gazastreifen. Doch ist das jetzt der Durchbruch? Endet nun endlich der bald zwei Jahre andauernde Krieg im Gazastreifen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

1. Was sieht Trumps Plan vor?

Anfang vergangener Woche stand der US-Präsident neben dem israelischen Premier und präsentierte das, was er für die Lösung des Krieges im Gazastreifen hielt: einen 20-Punkte-Plan, der die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas beenden, einen Geiselaustausch ermöglichen und den Wiederaufbau Gazas sichern soll.

Bahnbrechend neu ist das nicht, bereits in den vergangenen Monaten verhandelten Israel und die Islamisten genau über diese Punkte. Das größte Hindernis dabei blieb die Rolle der Hamas.

Und genau hier liegt auch die Schwierigkeit in Trumps Plan. Darin wird die Entwaffnung der Islamisten gefordert. Zudem soll eine technokratische Regierung zunächst die Verwaltung des Küstengebietes übernehmen – die Hamas soll dabei keine Rolle mehr spielen, was eine der Kernforderungen der Israelis ist.

Allerdings wird den Islamisten, sollten sie einer friedlichen Lösung zustimmen, freies Geleit in andere Länder zugesichert.

2. Hat die Hamas dem gesamten Plan zugestimmt?

Nein – und das ist entscheidend. Die Hamas hat lediglich gesagt, dass sie bereit ist, die Geiseln freizulassen. Aber auch das erst nach Verhandlungen über die Details eines solchen möglichen Abkommens. Das teilte die Organisation in einem Statement mit.

US-Präsident Donald Trump (rechts) und Israels Premier Benjamin Netanjahu trafen sich Anfang der Woche in Washington.

© dpa/Alex Brandon

Voraussetzung für eine Übergabe der Geiseln ist dabei die Freilassung von palästinensischen Gefangenen aus israelischer Haft. Zudem wollen die Islamisten, dass sich das israelische Militär ganz aus dem Gazastreifen zurückzieht.

Grundsätzlich sei man zudem bereit, „die Verwaltung des Gazastreifens einem palästinensischen Gremium von Unabhängigen (Technokraten) zu übertragen, das sich auf einen nationalen palästinensischen Konsens und die Unterstützung der arabischen und islamischen Welt stützt“, teilte die Hamas mit.

Allerdings sagen die Islamisten mit keinem Wort, dass sie ihrer eigenen Entwaffnung zustimmen – und auch nicht, dass sie akzeptieren, künftig keine Rolle mehr in Gaza zu spielen.

Nimrod Goren sieht deshalb die größte Veränderung zu vorherigen Verhandlungen vor allem bei Trump selbst. „Das entscheidende Element ist, dass Trump bereit ist, die Antwort der Hamas als Zustimmung zu dem Plan darzustellen“, sagt der Präsident und Gründer von Mitvim, dem israelischen Institut für regionale Außenpolitik. „Er scheint – zumindest vorerst – entschlossen zu sein, beiden Seiten eine Einigung aufzuzwingen.“

3. Was sind die nächsten Schritte?

Zunächst wird weiter verhandelt. Die Zeitung „Times of Israel“ berichtet, dass sich eine israelische Delegation bereits auf Verhandlungen mit der Hamas vorbereite. Diese könnten dem Medium zufolge am Sonntag in Ägypten beginnen.

Die aktuelle Version des Waffenstillstands unterscheidet sich nicht von vielen anderen Initiativen, die wir im letzten Jahr gesehen haben.

Michael Milshtein, Direktor des Forums für Palästinastudien am Moshe-Dayan-Zentrum für Nahost- und Afrikastudien an der Universität Tel-Aviv.

Ob die Verhandlungen erfolgreich verlaufen werden, bleibt offen. Wie die US-Zeitung „Wall Street Journal“ berichtet, neigten Offizielle des Emirats Katar, eine wichtige Vermittlerstimme zwischen Israel und der Hamas, dazu, den Trump-Plan zu unterstützen.

Doch innerhalb der Hamas gibt es dem „Wall Street Journal“ zufolge Streit darüber, wie man nun weiter verfahren soll – trotz der bereits gemachten Zusagen, die Geiseln freizulassen. Vor allem die Hamas-Kommandeure im Gazastreifen sollen demnach befürchten, dass sie eine Entwaffnung bei ihren Kämpfern nicht werden durchsetzen können.

Dass aber die Situation nun eine grundlegend andere ist, als bei vorherigen Verhandlungen sieht Michael Milshtein, Direktor des Forums für Palästinastudien am Moshe-Dayan-Zentrum für Nahost- und Afrikastudien an der Universität Tel-Aviv, nicht.

„Die aktuelle Version des Waffenstillstands unterscheidet sich nicht von vielen anderen Initiativen, die wir im letzten Jahr gesehen haben“, sagt er. „Es erinnert an den Waffenstillstand im vergangenen Jahr, der Israel von Trump aufgezwungen wurde. Das hier wirkt gerade wie Runde Zwei des gleichen Plans.“

4. Wie verhalten sich die Israelis?

Wie bereits beschrieben macht der US-Präsident Druck – und zwar nicht nur auf die Hamas, sondern auch auf Israel. Der jüdische Staat solle sofort die Bombardierung in Gaza einstellen, schrieb Trump auf seinem Kanal nach der Zusage der Hamas, die Geiseln freilassen zu wollen.

Das Büro von Israels Premier Benjamin Netanjahu ordnete das Militär an, „die sofortige Umsetzung der ersten Phase des Trump-Plans für die sofortige Freilassung aller Geiseln vorzubereiten“, teilte sein Büro mit. Die Armee stellte nach eigenen Angaben daraufhin ihre Offensive in Gaza ein und verlegte sich auf defensive Operationen.

Dass Israel so schnell reagierte, liegt Michael Milshtein zufolge vor allem am Druck des US-Präsidenten. „Netanjahu hat Angst vor Trump und will keine Konfrontation mit ihm“, sagt er.

„Die Tatsache, dass Trump das Statement der Hamas positiv aufgenommen und signalisiert hat, dass dies ist genug für einen Waffenstillstand sei, führt zu Enttäuschung in der israelischen Regierung.“ Zuvor sei man überzeugt gewesen, dass Trump eine solche Version nicht akzeptieren und Israel grünes Licht für die Fortsetzung des Krieges geben wird.

5. Woran könnte ein Friedensdeal noch scheitern?

Vor allem an der Weigerung der Hamas, die Waffen niederzulegen und künftig keine Rolle mehr im Gazastreifen zu spielen. Das aber ist eine Kernforderung der Israelis und auch im Trump-Plan. Ohne eine Entmachtung der Hamas gibt es für Netanjahu kein Abkommen.

Die Hamas allerdings würde somit nach eigenem Empfinden ihrer eigenen Abschaffung zustimmen. Die Geiseln dienen den Islamisten in diesem Zusammenhang auch als Absicherung gegen das israelische Militär.

Sollte Trumps Plan nicht zu einer schnellen Geiselfreilassung führen, könnte Netanjahu umschwenken und argumentieren, er habe dem Plan eine gute Chance gegeben, und die Hamas für sein Scheitern verantwortlich machen.

Nimrod Goren, Präsident und Gründer von Mitvim, dem israelischen Institut für regionale Außenpolitik

Nach wie vor gibt es also große Differenzen bei den Forderungen der jeweils anderen Seite – ein Muster, das man bereits aus zahlreichen vergangenen Verhandlungen kennt und an denen diese immer wieder scheiterten. Die Gefahr besteht auch jetzt. Zwar gab es in der Vergangenheit bereits mehrere Austausche von Geiseln gegen Gefangene. Doch eine dauerhafte Lösung hat es bislang nicht gegeben.

Nimrod Goren ist skeptisch, dass es nun dazu kommen wird. „Netanjahu hält sich derzeit an Trumps Forderungen“, sagt er. „Doch sollte dies nicht, wie im Plan vorgesehen, zu einer schnellen Geiselfreilassung führen, könnte er umschwenken und argumentieren, er habe dem Plan eine gute Chance gegeben, und die Hamas für sein Scheitern verantwortlich machen.“

6. Wo könnte es Raum für Kompromisse geben?

Dass die Hamas also den gesamten Trump-Plan annimmt, Gaza einer technokratischen, internationalen Regierung überlasst und sich selbst zurückzieht, erscheint ausgeschlossen.

Zunächst sieht es also so aus, als müsse in kleinen Schritten gedacht werden. Im Optimalfall bringen die anstehenden Verhandlungen eine Annäherung zwischen der Hamas und Israel in Bezug auf die Freilassung, so wie es in der Vergangenheit bereits der Fall war.

Michael Milshtein glaubt allerdings auch, dass Israel im Bezug auf die Waffen Zugeständnisse wird machen müssen. „Derzeit scheint es so, also wolle die Hamas das behalten, was sie als defensive Waffen definiert, also etwa Gewehre, Granaten, Pistolen“, sagt er. „Aber nicht die offensiven, also etwa Raketen oder auch Drohnen“, sagt er. „Das scheint der wichtigste Punkt und das eigentliche Hindernis zu sein. Wenn wir über einen Kompromiss sprechen, wird Israel hier ziemlich flexibel sein müssen.“

Nimrod Goren wiederum sieht zumindest einen kleinen Anlass zur Hoffnung. „Israel hat seinen Teil dazu beigetragen, indem es seine Gaza-Offensive schnell auf Eis gelegt hat“, sagt er. Sollte dies mit einer raschen Geiselfreigabe beantwortet werden, könne das eine gewisse Dynamik auslösen. Man könne dann über weitere Schritte verhandeln. Sollte dies nicht der Fall sein, könne sich dieser Moment des vorsichtigen Optimismus als kurzlebig erwiesen haben, sagt Goren.

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