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Andrij Jermak, Chef des ukrainischen Präsidialamtes, auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen der Nationalen Sicherheitsberater (NSA).

© dpa/Gian Ehrenzeller

„Ich kooperiere voll und ganz“: Antikorruptionsbehörden durchsuchen Räume von Selenskyjs Bürochef Jermak

Die Ukraine wird von einem beispiellosen Korruptionsskandal erschüttert. Nun gerät erstmals offiziell auch Selenskyjs Präsidentenbüroleiter Andrij Jermak ins Visier der Ermittler.

Stand:

Die Anti-Korruptionsbehörden der Ukraine haben am Morgen über eine Durchsuchung bei dem Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, informiert.

Die Maßnahmen gegen den Kanzleichef von Präsident Wolodymyr Selenskyj seien Teil laufender Ermittlungen und genehmigt, teilten das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) in Kiew mit. Details sollten später folgen.

Das Land, das sich seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen den russischen Angriffskrieg wehrt, wird von einem Schmiergeldskandal erschüttert, der bis in die Staatsführung reicht.

Ich kooperiere voll und ganz.

Andrij Jermak via Telegram

Was sagt Jermak zu den Durchsuchungen?

Jermak selbst schrieb auf Telegram, dass Durchsuchungen in seiner Wohnung stattfänden und er uneingeschränkt kooperiere. „Heute führen NABU und SAP tatsächlich Ermittlungsmaßnahmen in meiner Wohnung durch. Sie stoßen auf keinerlei Hindernisse“, schrieb Jermak.

Der Ukrainer habe ihnen „uneingeschränkten Zugang zur Wohnung“ gewährt und will die Ermittler „voll und ganz“ unterstützen. „Meine Anwälte sind vor Ort und arbeiten mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen“, so Jermak.

Warum steht Jermak unter Verdacht?

Nachdem NABU UND SAP vor etwas mehr als zwei Wochen mitgeschnittene Gespräche zu Schmiergeldzahlungen im Energiesektor veröffentlicht hatten, gab es bereits mehrere Festnahmen und Entlassungen im Regierungsapparat. Einige Parlamentsabgeordnete schrieben danach in sozialen Netzwerken, dass NABU nun eine Verdachtsmitteilung gegen Jermak vorbereite.

Im Juli hatte Präsident Selenskyj noch versucht, NABU und SAP unter seine Kontrolle zu bringen. Damals wurden bereits Vorwürfe gegen Jermak laut, dass die eilig verabschiedete Gesetzesänderung auf seine Initiative hin im Parlament eingebracht worden sei. Ziel sei gewesen, die sich anbahnenden Verfahren gegen Regierungsbeamte zu verhindern.

Jermak: die rechte Hand Selenskyjs

Jermak gilt nicht nur als rechte Hand Selenskyjs, er ist einer der einflussreichsten Männer in dem Land und wird immer wieder als Strippenzieher und graue Eminenz bezeichnet. Er ist auch die zentrale Figur bei den laufenden Verhandlungen mit den US-Amerikanern um ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. 

Jermak führt das ukrainische Verhandlungsteam bei den Friedensgesprächen. Seine Ernennung als Delegationsleiter vorige Woche hatte Erstaunen bei politischen Beobachtern in Kiew ausgelöst, weil er wie Selenskyj im Zuge des Korruptionsskandals in Erklärungsnot geraten war.

Wolodymyr Selenskyj und Andrij Jermak in Kiew am 22. Januar 2024.

© REUTERS/GLEB GARANICH

Korruptionsskandal: Auch Ex-Verteidigungsminister vorgeladen

In dem Korruptionsskandal ist zuletzt auch Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow von Korruptionsfahndern vorgeladen worden. Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates gelte als Zeuge, meldete das Onlineportal „Ukrajinska Prawda“ unter Berufung auf den Pressedienst der Behörde. Auch der 43-Jährige ist einer von Kiews Hauptunterhändlern bei den Gesprächen mit Kriegsgegner Russland und den USA.

Vor etwas mehr als zwei Wochen hatten ukrainische Korruptionsermittler Erkenntnisse über Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe im Energiesektor öffentlich gemacht. Energieministerin Switlana Hryntschuk und ihr inzwischen als Justizminister tätiger Vorgänger Herman Haluschtschenko wurden daraufhin entlassen. Es gab mehrere Festnahmen.

Hauptverdächtiger floh aus der Ukraine

Der Hauptverdächtige und Vertraute von Präsident Selenskyj, Tymur Minditsch, floh aus dem Land. In der Verdachtsmitteilung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) gegen Minditsch hieß es, dieser habe unter anderem seine „freundschaftlichen Beziehungen zum Präsidenten der Ukraine“ ausgenutzt, um sich zu bereichern.

Die Ermittler hatten in dem Zusammenhang auch Korruption im Verteidigungssektor und Kontakte zwischen Minditsch und Umjerow beim Kauf von Schutzwesten für die Armee erwähnt. 

Umjerow selbst hat wiederum jede Verwicklung in die Schmiergeldaffäre vehement bestritten. Den Posten des Verteidigungsministers bekleidete er von September 2023 bis Juli 2025. (dpa)

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