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Die Vollstreckung des Todesurteils gegen den 57-jährigen Robert Roberson werde aufgeschoben.

© AFP/ Ilana Panich-Linsman for the Innocence Project/Ilana Panich-Linsman

In letzter Minute: Gericht in Texas setzt Hinrichtung von autistischem Mann aus – sogar Chefermittler glaubt an Unschuld

Wegen neuer wissenschaftlicher Beweise soll ein zum Tode verurteilter 57-Jähriger vor einem Ausschuss aussagen können. Im Bundesstaat Alabama erhielt ein Mörder die Giftspritze.

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Hoffnung für einen Todeskandidaten in den USA: Die Justiz im Bundesstaat Texas hat in letzter Minute die Hinrichtung eines autistischen Mannes ausgesetzt. Die Vollstreckung des Todesurteils gegen den 57-jährigen Robert Roberson werde aufgeschoben, damit er vor einem Parlamentsausschuss aussagen könne, entschied der Oberste Gerichtshof von Texas am Donnerstagabend (Ortszeit).

Eine parteiübergreifende Gruppe von 86 texanischen Abgeordneten hatte unter Berufung auf „umfangreiche neue wissenschaftliche Beweise“ auf eine Begnadigung Robersons gedrängt und ihn für Montag zu einer Anhörung vorgeladen. „Wenn das Urteil vollstreckt wird, kann der Zeuge offensichtlich nicht (zur Anhörung) erscheinen“, erklärte Richter Evan Young zur Urteilsbegründung.

Chefermittler hält Roberson heute für unschuldig

Das Todesurteil hatte eine intensive Debatte ausgelöst. Roberson wurde für den Tod seiner zweijährigen Tochter Nikki Curtis im Jahr 2002 verurteilt. Die Verteidigung machte bei der Berufung geltend, dass gar kein Verbrechen vorliege und das Kind an natürlichen Ursachen gestorben sei. Die Anwälte führen den Tod des Kleinkindes stattdessen auf eine falsch behandelte Lungenentzündung zurück.

Anstieg der Hinrichtungsrate ist äußerst besorgniserregend.

Seif Magango, Sprecher UN-Menschenrechtsbüro

Das Gericht war damals zum Schluss gekommen, dass es sich um ein Schütteltrauma handele, das zu einer tödlichen Hirnverletzung geführt habe.

Mediziner haben die Diagnose Schütteltrauma in letzter Zeit zunehmend infrage gestellt. In einer Bitte um Gnade brachte der damalige Chefermittler Brian Wharton vor, er glaube nicht mehr an Roberson Schuld. Sein Mitwirken beim Todesurteil gegen einen „unschuldigen Mann“ werde ihn für immer verfolgen. Als Hinweis auf Robersons Schuld wurde beim Prozess dessen scheinbare Emotionslosigkeit gewertet, als er seine Tochter ins Krankenhaus brachte.

Es sei „durchaus möglich“, dass Roberson nur wegen seines Autismus in der Todeszelle gelandet sei, erklärte Verteidigerin Gretchen Sween beim Berufungsverfahren.

Bei Roberson wurde Jahre nach dem Prozess eine Autismus-Spektrum-Störung festgestellt. Der Patientenverband „Autism Society“ sprach sich gegen die Hinrichtung aus. Robersons Verhalten sei missinterpretiert worden, und beim Prozess habe kein Experte über Autismus ausgesagt.

Roberson stellte im Laufe der Jahre ohne Erfolg mehrere Berufungsanträge. Auch die Gnadenbehörde von Texas lehnte Roberson Bitte um Milde ab. Allerdings haben zahlreiche Politiker in Texas das Urteil infrage gestellt, darunter Todesstrafenbefürworter.

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Hinrichtungen in zwölf Tagen in fünf Bundesstaaten

Vollzogen wurde am Donnerstag hingegen die Hinrichtung von Ryan Dearman, der im Bundesstaat Alabama wegen der Ermordung mehrerer Menschen mit einer Axt verurteilt worden war. Der 36-Jährige, der die Morde gestanden hat, wurde mit einer Giftspritze hingerichtet.

Die Vereinten Nationen sind wegen des Anstiegs an Hinrichtungen in den USA alarmiert. Das UN-Menschenrechtsbüro sei angesichts der anstehenden Hinrichtung zweier Männer in den Bundesstaaten Texas und Alabama „zutiefst besorgt“, erklärte Sprecher Seif Magango am Mittwoch.

Im vergangenen Monat seien binnen zwölf Tagen sechs Menschen in fünf verschiedenen Bundesstaaten hingerichtet worden, fügte er hinzu. „Dieser Anstieg der Hinrichtungsrate ist äußerst besorgniserregend.“ (AFP, epd)

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