
© AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA
Lissabon nach dem Seilbahn-Unglück: Trauer, Entsetzen – und die Frage nach der Schuld
Am Tag nach dem tödlichen Unglück herrscht Fassungslosigkeit in der portugiesischen Hauptstadt, die Flaggen wehen auf halbmast. Wie konnte es zu dem Unfall kommen?
Stand:
Lissabon steht unter Schock. Schon in den frühen Morgenstunden am Donnerstag kommen Menschen zum Platz Praça dos Restauradores im Stadtzentrum. Einige haben Blumen dabei, viele diskutieren, die meisten schweigen.
Die Polizei hat die Unglücksstelle abgesperrt, an der am Abend zuvor ein Wagen der berühmten Seilbahn Elevador da Glória entgleiste und auf dem starken Gefälle offensichtlich ungebremst in eine Hauswand raste. Mindestens 17 Tote und zahlreiche Verletzte wurden am späten Mittwochabend aus den Trümmern geborgen. Darunter wohl auch mindestens ein Deutscher. Als Zeichen der Trauer wehen die Flaggen in der portugiesischen Hauptstadt auf halbmast.
„Es ist ein Wunder, dass nicht noch mehr passiert ist“, sagt eine Frau und zeigt auf die Stahltrümmer, die in der engen Straße liegen, durch die die Seilbahn zum höher gelegenen Stadtteil Bairro Alto führt. Sie legt dabei eine kurze Strecke von rund 200 Metern zurück – bei einem Gefälle von fast 20 Prozent.

© REUTERS/Pedro Nunes
Die Endstation der Bahn befindet sich in der Nähe des Miradouro de Sao Pedro, einem bei Touristen sehr beliebten Aussichtspunkt. Von dort sind es nur wenige Schritte in ein Labyrinth aus Gassen mit unzähligen Bars, Restaurants und Nachtclubs. Der Platz bietet einen direkten Blick auf die Endstation des Elevador da Glória mit ihren gelben Wagen.
Doch am Mittwoch kurz nach 18 Uhr Ortszeit unterbrachen plötzlich lautes Rumpeln und dann ohrenbetäubender Krach die entspannte Musik der Straßenmusiker. Dichter Qualm zog die steile Gasse Calçada da Glória hinauf. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, was passiert war.
Am Donnerstag verdichtete sich der Verdacht, dass wahrscheinlich ein Zugseil der Bahn gerissen war. Der Elevador da Glória wurde 1885 eröffnet und wird heute elektrisch betrieben. Bei der stark ansteigenden Straße ist eine zuverlässige Kontrolle der Bahn besonders bei Talfahrten entscheidend.
Laut Feuerwehr und Fachleuten versagte nach dem Seilriss auch das Bremssystem. Der Wagen geriet außer Kontrolle, raste mit hoher Geschwindigkeit bergab, entgleiste und prallte gegen die Mauer eines Gebäudes in der engen Gasse, die kurz vor der Haltestelle am Praça dos Restauradores eine Rechtskurve macht.
Noch am Mittwochabend machten in Online-Netzwerken Filme und Fotos die Runde, die die Wucht des Aufpralls erahnen lassen. Als sich der Qualm gelegt hatte, war nur noch ein großer Haufen aus Stahl und Blech zu erkennen.

© AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA
Eine Augenzeugin sagte dem Nachrichtenportal „SIC Notícias“, die Bahn sei mit lautem Getöse entgleist, die abschüssige Straße hinunter gerauscht und gegen ein Gebäude gekracht. „Das war ohrenbetäubend, ich und andere Passanten sind weggerannt.“ Schnell seien Sanitäter und Polizisten an der Unfallstelle gewesen, erzählte die junge Frau.
Eine andere Augenzeugin sagte dem staatlichen portugiesischen TV-Sender RTP, der Wagen sei beim Aufprall „wie ein Karton“ auseinandergefallen.
Es dauerte nicht lange, bis erste Spekulationen über den technischen Zustand der Bahn die Runde machten. Manuel Leal, Gewerkschaftsführer bei Fectrans, erklärte auf dem Kurznachrichtendienst X, die Beschäftigten des städtischen Unternehmens Carris in Lissabon hätten wiederholt auf die Notwendigkeit von Wartungen der Aufzüge hingewiesen, darunter auch des Aufzugs in Glória.
Das Betreiberunternehmen Carris erklärte hingegen, alle Wartungsvorgaben seien eingehalten worden. Regelmäßige Inspektionen habe es gegeben, zuletzt im Zeitraum August bis September 2024. Trotzdem ließ die Stadtverwaltung von Lissabon den Betrieb aller drei Standseilbahnen aussetzen und ordnete sofortige Inspektionen an.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false