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Europaflaggen wehen vor dem Sitz der EU-Kommission. Im Streit um die Reformpläne für die EU-Schuldenregeln unternahmen die Finanzminister der Mitgliedstaaten an diesem Mittwoch einen neuen Kompromissversuch.

© dpa/Zhang Cheng

Nach langem Ringen: EU-Länder vereinbaren Grundsätze für neue Schuldenregeln

Die europäischen Schuldenregeln sollen künftig die individuelle Situation der Länder stärker berücksichtigen. Nach langen Verhandlungen haben die EU-Länder eine Einigung gefunden.

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Die Finanzminister der EU-Staaten haben sich auf Pläne für eine Reform der europäischen Schuldenregeln verständigt. Sie sehen unter anderem vor, dass die jeweils individuelle Situation der Länder stärker als bislang berücksichtigt wird, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur nach einer Videokonferenz der Finanzminister am Mittwoch sagten. Die Pläne müssen von den Ländern noch angenommen und mit dem Parlament verhandelt werden.

Finanzminister Christian Lindner setzt darauf, dass die geplanten neuen Schuldenregeln in der EU zu niedrigeren Haushaltsdefiziten und jährlich sinkenden Schuldenquoten führen werden. „Die Stabilitätskultur in Europa ist gestärkt“, sagte der FDP-Politiker nach der Einigung der EU-Finanzminister am Mittwoch. „Es gibt klare Zahlen für niedrigere Haushaltsdefizite und eine Reduzierung der Staatsverschuldung. Auf der anderen Seite auch klare Anreize für Strukturreformen und für Investitionen.“ Niemand müsse fürchten, dass es in Europa eine uferlose Verschuldung geben könne.

Lindner betonte, die alten Regeln seien nicht mehr realistisch gewesen. Schon vor der Corona-Pandemie seien die Staatsschulden gestiegen. Nun gebe es zum einen Sicherheitslinien, die zu niedrigeren Defiziten und sinkenden Schuldenquoten führten. Zugleich würden Anreize für eine Modernisierung der Wirtschaft und die Stärkung der Verteidigung gesetzt.

Der Einigung der 27 Länder war ein deutsch-französischer Vorschlag vorausgegangen, auf den sich Lindner und sein Amtskollege Bruno Le Maire am Dienstagabend verständigt hatten. Vor allem die beiden Wirtschaftsschwergewichte der EU standen sich in der Debatte lange gegenüber. Eine Einigung aller 27 Länder ohne eine Verständigung zwischen Paris und Berlin galt als nahezu ausgeschlossen.

Monatelang um Kompromiss gerungen

Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen beinhaltete der Vorschlag der Nachbarländer wirksamere Sicherheitslinien für den Abbau von Haushaltsdefiziten und Staatsverschuldung als bisher. Zugleich sollten Investitionen und Strukturreformen der Mitgliedsstaaten besser berücksichtigt werden. Le Maire schrieb am Dienstagabend auf X (vormals Twitter) von hervorragenden Nachrichten für Europa, die gesunde öffentliche Finanzen und Investitionen in die Zukunft garantierten.

Europas Finanzminister rangen monatelang um einen Kompromiss für eine Reform des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts. Grundlage war ein Vorschlag der Europäischen Kommission von April. Er sieht vor, hoch verschuldeten Ländern wegen der Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs mehr Flexibilität beim Abbau von Schulden und Haushaltsdefiziten einzuräumen.

In den Hauptstädten waren die Vorschläge umstritten. Die Bundesregierung etwa forderte strenge und einheitliche Mindestvorgaben. Frankreich, nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU, hatte sich hingegen klar gegen einheitliche Regeln ausgesprochen.

Die bislang geltenden Regeln schreiben vor, Schulden bei maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und Haushaltsdefizite unter 3 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu halten. Wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind sie vorübergehend bis 2024 ausgesetzt. Bislang müssen Staaten normalerweise fünf Prozent der Schulden, die über der 60-Prozent-Marke liegen, im Jahr zurückzahlen. Eine Rückkehr zu den alten Regeln gilt als Gefahr für die wirtschaftliche Erholung Europas. Zudem wurde das Regelwerk auch schon vor der Pandemie oft missachtet - auch von Deutschland.

Bevor die neuen Regeln in Kraft treten können, müssen sie noch von den Ländern angenommen und mit dem Europaparlament verhandelt werden. Es wird erwartet, noch vor der Wahl zum Europäischen Parlament die Gesetzgebung abschließen zu können. Die Europawahl findet Anfang Juni 2024 statt. (dpa)

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