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Demonstranten in Bangladesch wollen Leistung statt Quoten.

© dpa/Zuma Wire/Habibur Rahman

Nach Studentenprotesten mit mehr als 100 Toten: Gericht in Bangladesch dreht umstrittene Quotenregelung zurück

Eine Regelung zur Besetzung von Stellen im Öffentlichen Dienst hatte landesweit zu Ausschreitungen geführt. Nun schreitet das höchste Gericht in Dhaka ein.

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Nach tödlichen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei in Bangladesch hat das höchste Gericht in Dhaka die Wiedereinführung einer kontroversen Quotenregelung im Öffentlichen Dienst teilweise zurückgedreht. Die Pläne hatten anhaltende, heftige Studentenproteste ausgelöst.

Ab sofort sollten 93 Prozent der Einstellungen auf der Grundlage von Leistung erfolgen, entschied das Gericht am Sonntag nach Angaben des Senders BBC Bangla. Es folgte damit zumindest teilweise der Forderung der Protestierenden. Lediglich die restlichen sieben Prozent würden unter eine Quotenregelung kommen und vorwiegend für Nachkommen von Soldaten, die 1971 für die Unabhängigkeit des Landes gekämpft haben, reserviert sein, entschieden die Richter.

Nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei bei Studentenprotesten hatte die Regierung eine landesweite Ausgangssperre verhängt. Zudem sollte die Armee in der Hauptstadt Dhaka sowie anderen Distrikten eingesetzt werden, teilte Innenminister Asaduzzaman Khan am Samstag mit.

Seit dem Beginn der Gewalt am Dienstag seien mehr als 100 Menschen bei den Protesten gestorben – allein am Freitag mindestens 56, berichtete BBC Bangla unter anderem unter Berufung auf die Tageszeitungen „Prothom Alo“ und „The Daily Star“. 

„Die Regierung geht unter Einsatz von Gewalt gegen die Proteste vor“, hieß es am Samstag auf der Internetseite der Deutschen Botschaft in Dhaka. Weiter teilte die Botschaft mit: „Am 18. Juli 2024 wurden das Internet und mobile Daten abgeschaltet.“

Geschäfte in Bangladesch in Brand gesetzt

Aktuelle Berichte dieser und anderer örtlicher Medien waren am Samstag online nicht abrufbar. Die Regierung hatte Internet-, Telefon- und SMS-Verbindungen weitgehend gekappt. Offiziell bestätigt wurden die Opferzahlen nicht. Die US-Botschaft in Bangladesch sprach von Hunderten bis zu Tausenden Verletzten. 

In der Hauptstadt Dhaka wurden am Freitag jegliche Kundgebungen bis auf Weiteres verboten, wie „Prothom Alo“ unter Berufung auf die Polizei berichtete. Trotzdem fanden teils Proteste statt.

Die Polizei setzte unter anderem Schallgranaten, Tränengas- und Gummigeschosse ein, sagte ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort. Protestierende hätten unter anderem Fahrzeuge, Geschäfte und Büros in Brand gesetzt. Sie hätten zudem ein Gefängnis in einem Distrikt nahe Dhaka gestürmt, worauf viele Insassen entkamen, berichtete das örtliche Fernsehen.

Militär kontrolliert die Straßen in Dhaka.

© AFP/Munir Uz Zaman

Am Freitag um Mitternacht hätten sich Studentenvertreter mit Vertretern der Regierung getroffen, hieß es. Informationen zu Ergebnissen der Gespräche habe es aber nicht gegeben, berichtete BBC Bangla. Am Samstag seien auf den Straßen vorwiegend Militärangehörige unterwegs gewesen. Die Website der Regierung Bangladeschs schien gehackt zu sein. Dort war am Samstag zu lesen: „Hört auf, Studenten zu töten“ und „Es ist kein Protest mehr, es ist jetzt ein Krieg“.

Die seit Anfang Juli anhaltenden Demonstrationen richteten sich gegen die mögliche Wiedereinführung des alten Quotensystems. Das frühere System sah 30 Prozent der Stellen für Kriegsveteranen vor - und insgesamt sollten damit mehr als die Hälfte der Stellen für bestimmte Gruppen reserviert sein.

Das Quotensystem begünstigt Beobachtern zufolge Anhänger der langjährigen Premierministerin Sheikh Hasina (76) und ihrer Awami-Liga. Ihr wird vorgeworfen, staatliche Institutionen zu missbrauchen, um ihre Macht zu festigen.

Die Regierung wiederum beschuldigt einen Teil der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party, die Gewalt bei den Protesten anzuheizen. Am Freitagmittag nahm die Polizei den wichtigen Oppositionspolitiker Ruhul Kabir Rizvi fest.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte am Freitag ein sofortiges Ende der „tödlichen Gewalt gegen Demonstranten“ gefordert. Der stellvertretende Amnesty-Regionaldirektor für Südasien, Babu Ram Pant, äußerte sich entsetzt über die steigende Zahl an Todesopfern und eine „absolute Intoleranz der bangladeschischen Behörden gegenüber Protesten und abweichenden Ansichten“.

Die willkürliche, landesweite Abschaltung des Internets und ein pauschales Verbot von Protesten durch die Dhaka Metropolitan Police schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung noch weiter ein, so Pant. (dpa, KNA)

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