
© dpa/Britta Pedersen
„Pentagon Papers“ zum Vietnamkrieg geleakt: US-Whistleblower Daniel Ellsberg ist tot
Er war einer der bekanntesten Whistleblower der Geschichte: Anfang der 70er Jahre enthüllte Ellsberg die geheimen Pläne der US-Regierung für den Vietnamkrieg. Nun ist er mit 92 Jahren gestorben.
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Der für das Durchstechen der „Pentagon Papers“ zum Vietnamkrieg bekannt gewordene US-Whistleblower Daniel Ellsberg ist tot. Ellsberg starb am Freitag im Alter von 92 Jahren „friedlich“ in seinem Haus in Kensington im Bundesstaat Kalifornien an den Folgen von Bauchspeicheldrüsenkrebs, wie seine Familie mitteilte.
Ellsberg hatte seine Erkrankung im März öffentlich gemacht und erklärt, er habe nach Angaben seiner Ärzte noch höchstens sechs Monate zu leben.
„Daniel war ein Suchender nach Wahrheit und ein patriotischer Wahrheits-Sager, ein Anti-Kriegs-Aktivist, ein geliebter Ehemann, Vater, Großvater und Urgroßvater, vielen ein lieber Freund und zahllosen weiteren Menschen eine Inspiration“, erklärte die Familie. „Wir alle werden ihn sehr vermissen.“
Ellsberg war einer der bekanntesten Whistleblower der Geschichte. Der frühere Pentagon-Mitarbeiter arbeitete für die Denkfabrik Rand Corporation, als er 1971 zunächst der „New York Times“ Teile eines streng geheimen Schriftsatzes aus dem US-Verteidigungsministerium zuspielte - die „Pentagon Papers“ zum Vietnamkrieg.
Das rund 7000 Seiten starke Dokument belegte, dass US-Regierungen die Öffentlichkeit und den Kongress über Einsätze in dem Krieg belogen hatten. Ellsberg hielt den Vietnamkrieg nicht für gewinnbar und hoffte, mit der Veröffentlichung des Dokuments ein schnelleres Ende der Gefechte herbeiführen zu können.
Einst „gefährlichster Mann in Amerika“
Die Regierung von US-Präsident Richard Nixon reagierte erbost, Nixons Nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger bezeichnete Ellsberg als den „gefährlichsten Mann in Amerika“. Ellsberg stellte sich selber der Justiz. Er wurde wegen Spionage angeklagt, 1973 verwarf ein Richter aber die Anklage unter anderem wegen illegaler Beweissammlung durch die Regierung.
„Als ich die Pentagon Papers 1969 kopierte, hatte ich jeden Grund davon auszugehen, dass ich den Rest meines Lebens hinter Gittern verbringen würde“, erklärte Ellsberg im März dieses Jahres, als er seine Krebserkrankung öffentlich machte. „Es war ein Schicksal, das ich gerne in Kauf genommen hätte, wenn es bedeuten würde, das Ende des Vietnamkriegs zu beschleunigen.“
In den vergangenen Jahrzehnten betätigte sich Ellsberg als Buchautor, Redner und Anti-Kriegs-Aktivist. Am 17. Februar wurde dann nach seinen Angaben bei ihm ein nicht operierbarer Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Seine Ärzte hätten ihm gesagt, dass er nur noch „drei bis sechs Monate zu leben“ habe. Ellsberg entschied sich gegen eine Chemotherapie.
Bis zuletzt am Scherzen
Seine Frau und seine Kinder erklärten am Freitag, Ellsberg sei „ohne Schmerz und umgeben von liebender Familie“ verstorben. Er habe in den Monaten nach seiner Diagnose in zahlreichen Interviews unter anderem zur Gefahr eines Atomkriegs durch den Ukraine-Krieg gesprochen.
Er habe auch „Momente der Freude und Liebe“ erlebt, unter anderem im April seinen 92. Geburtstag und den 85. Geburtstag seiner Ehefrau Patricia. „Er war begeistert, die salzfreie Diät aufgeben zu können, die sein Arzt ihm vor fünf Jahren verordnet hatte“, erklärte die Familie weiter. „Heiße Schokolade, Croissants, Kuchen, Mohn-Bagel und Räucherlachs haben ihm in diesen letzten Monaten zusätzliche Freude bereitet.“
Ellsberg habe auch mehrere seiner Lieblingsfilme noch einmal angeschaut, darunter mehrfach seinen absoluten Lieblingsfilm, den Western „Butch Cassidy und Sundance Kid“.
Angesichts der zahlreichen Zuwendungen in seinen letzten Tagen habe Ellsberg gescherzt: „Wenn ich gewusst hätte, dass das Sterben so sein würde, hätte ich es früher getan.“ Seine Frau habe geantwortet: „Dann bin ich froh, dass du es nicht getan hast.“ (AFP)
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