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Richtungswechsel: Wahl-Triumph in Tschechien: Babis schafft Comeback
In Feierlaune tanzt der Wahlgewinner Andrej Babis zu einem Popsong. Doch in Brüssel und Kiew dürfte man den Sieg des Rechtspopulisten und Milliardärs bei der Parlamentswahl mit Sorge betrachten.
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Politisches Erdbeben in Tschechien: Der Rechtspopulist und Milliardär Andrej Babis ist mit seiner ANO-Bewegung stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen geworden. Die Oppositionspartei kam nach Auszählung von knapp 99 Prozent aller Wahlbezirke auf 34,9 Prozent der Stimmen, wie aus den offiziellen Daten der Statistikbehörde CSU hervorging.
Wahlgewinner singt, tanzt und lacht
Nach vier Jahren in der Opposition und der Niederlage bei der Präsidentenwahl 2023 ist dem Bewunderer von US-Präsident Donald Trump damit ein Comeback gelungen. Der 71 Jahre alte Unternehmer zeigte sich beim Eintreffen in seinem Wahlstab triumphierend mit hochgereckten Armen. „Heute werden wir feiern“, sagte Babis und sprach von einem historischen Erfolg. Er tanzte und sang mit seinen Mitstreitern zu dem italienischen Popsong Sarà perché ti amo („Das ist, weil ich dich liebe“).
Das Mitte-Rechts-Bündnis Spolu (Gemeinsam) des Regierungschefs Petr Fiala stürzte nach dem Teilergebnis auf 23 Prozent der Stimmen ab (2021: 27,8). Die bisher mitregierende Bürgermeisterpartei erhielt 11,1 Prozent. Die Piraten kamen auf knapp 8,8 Prozent, gefolgt von zwei möglichen Koalitionspartnern für Babis, der rechten Freiheit und direkte Demokratie und den sogenannten Motoristen. Fiala gratulierte dem Herausforderer zum Sieg: „Das Ergebnis ist klar, und man muss es als Demokrat akzeptieren.“
Wahlkampf im Zeichen des Ukraine-Kriegs
Babis kündigte im Wahlkampf ein Ende der Waffenlieferungen seines Landes an die Ukraine an. Das würde das Aus für die tschechische Granaten-Initiative bedeuten, die seit ihrem Start bereits rund 3,5 Millionen Schuss großkalibriger Munition an Kiew geliefert hat. Die Regierungsparteien hatten den Schwerpunkt ihres Wahlkampfs auf die Bedrohungen durch Russland gelegt. Babis warf ihnen dagegen vor, Panikmache zu betreiben. „Ich weiß nicht, aus welcher Richtung die russischen Panzer kommen sollten“, sagte er.
Babis versprach niedrigere Steuern
Nach Ansicht von Beobachtern stand für viele die Wähler dagegen die Sorge um den eigenen Geldbeutel im Fokus. Die jährliche Inflationsrate lag zwar zuletzt bei 2,5 Prozent, hatte aber 2023 zweistellige Werte erreicht. Die ANO-Partei versprach auf Plakaten „niedrigere Steuern“ und „billigere Energie“.
Auf EU-Ebene ist die ANO von der liberalen Fraktion Renew Europe zu den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Patrioten für Europa gewechselt. Dort sitzt sie in einer Reihe mit der Fidesz von Viktor Orban aus Ungarn, der FPÖ aus Österreich und der RN Marine Le Pens aus Frankreich. Der als prorussisch geltende slowakische Regierungschef Robert Fico ist zwar nicht Teil dieser Gruppierung, freute sich aber bereits auf ein neues „Trio“ mit Orban und Babis.
Extremisten als Koalitionspartner?
Als möglicher Königsmacher könnte in Prag die ultrarechte Freiheit und direkte Demokratie (SPD) von Tomio Okamura fungieren. Die Partei fordert nicht nur die Möglichkeit eines Referendums über den Austritt aus EU und Nato, sondern auch die Rückführung der mehr als 383.000 ukrainischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Sie kam nach dem Teilergebnis auf fast 8 Prozent der Stimmen.
Was würde eine solche Koalition für Europa bedeuten? „Die prowestliche Orientierung Tschechiens wird geschwächt“, sagte der Politologe Lukas Jelinek. Als Partner bietet sich auch eine neue Autofahrerpartei an. Sie fordert ebenso wie Babis ein Ende des Green Deals der EU und ein Rückrudern beim Verbrenner-Aus ab 2035.
Gericht hob Freispruch für Babis auf
Wie ein Damoklesschwert hängt jedoch die Gefahr einer Verurteilung über Babis. Im Sommer hatte ein Gericht einen Freispruch in der sogenannten „Storchennest“-Affäre aufgehoben. Dabei geht es um den mutmaßlichen Missbrauch von EU-Subventionen für ein Wellnessresort. Vor einer weiteren Strafverfolgung müsste das Parlament indes erneut die Immunität aufheben.
Babis besitzt ein weit verzweigtes Imperium aus mehr als 250 Firmen. Das brachte ihm die Kritik ein, in einem permanenten Interessenkonflikt als Politiker und Unternehmer zu stehen. Bedenken in dieser Hinsicht hat auch Präsident Petr Pavel angemeldet. Ob Babis seine Unternehmen wie in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 in einen Treuhandfonds stellt, ließ er offen.
Nun ist der Präsident am Zug
Neu besetzt wurden wie alle vier Jahre die 200 Sitze im Abgeordnetenhaus, der wichtigeren der beiden Parlamentskammern in Prag. Die Verfassung lässt Präsident Pavel freie Hand, wem er den Regierungsauftrag erteilt. In der Regel ist dies jedoch die Fraktion mit den meisten Mandaten. Pavel will bereits am Sonntag mit ersten Konsultationen beginnen. Tschechien ist seit 1999 Nato-Partner und seit 2004 EU-Mitglied. Mit Deutschland teilt sich das Land eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze.
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