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Rob Jetten, vermutlich nächster Premier der Niederlande: Ein bisschen Obama, ein bisschen Merz
Rob Jetten und seine sozialliberale Partei D66 sind die großen Gewinner der Wahl in den Niederlanden. Das Erfolgsgeheimnis des 38-Jährigen? Er ist progressiv und hat seine Partei trotzdem nach rechts gerückt.
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Rob Jetten macht das, was er am besten kann: Er strahlt in die Kameras. Der jugendlich wirkende Chef der sozialliberalen Partei D66 ist der große Sieger der Parlamentswahl in den Niederlanden. Doch feierte der 38-Jährige auf der nächtlichen Wahlparty noch ausgelassen das überraschende Ergebnis, scheint er sich am Tag danach der großen Last bewusst zu werden, die nun auf seinen Schultern lastet.
Mit 26 Sitzen hat seine Partei knapp dreimal so viele Mandate wie bei der Wahl vor zwei Jahren errungen. Damit liegt D66 gleichauf mit der Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders, mit dem allerdings keine andere Partei eine Koalition eingehen will. Das bedeutet: Rob Jetten wird wahrscheinlich der nächste Premierminister der Niederlande.
Fast etwas verlegen reagiert der sozialliberale Politiker auf die vielen Vergleiche, die nun gezogen werden. Beobachter sehen in ihm Parallelen zu dem jungen Mark Rutte, dem heutigen Nato-Generalsekretär. Dem D66-Chef dürfte der Vergleich allerdings gefallen, denn Rutte führte die Niederlande zwölf Jahre lang als Regierungschef. Auch der rechtsliberale Politiker war bekannt für seine positive Ausstrahlung, sein Lächeln, das pragmatische Vorgehen und eine unerschöpfliche Energie.
Nach zwei Jahren des politischen Durcheinanders blicken viele Niederländer mit Wehmut auf die Stabilität der Rutte-Ära zurück. Einen Unterschied zwischen den beiden Männern scheint es allerdings zu geben. Jettens Parteikollege Roy Kramer sagte der niederländischen Zeitung „Het Parool“: „Rutte ist eine Plaudertasche, Jetten ist ruhiger.“
Wahlkampfstrategien aus den USA
Der Wahlsieg ist aber auch der Verdienst akribischer Planung. So kopierte die Partei Strategien der Wählerrekrutierung aus den USA. Themen, Statements und Auftreten wurden durch Fokusgruppen ermittelt und dann auf verschiedenen Kanälen zielgruppengerecht bespielt. Als Coup gilt Rob Jettens Teilnahme an dem populären TV-Quiz „De slimste mens“ („Der klügste Mensch“), in dem er das Finale erreichte.
Entscheidend dürfte gewesen sein, dass Jetten geschickt die nach rechts gerückte politische Stimmung im Land aufgegriffen und seiner sozialliberalen Partei einen konservativen Anstrich verpasst hat. Deutlich hörbar war das beim Thema Migration, wo er eine deutlich härtere Gangart fordert. Auf Wahlveranstaltungen lästerte er gerne auch über „woke“ Regenbogen-Zebrastreifen und forderte seine Landleute auf, wieder stolz auf die Niederlande zu sein.
20 Jahre haben wir uns Ihren griesgrämigen Hass anhören müssen, ohne dass etwas gelöst wurde!
Rob Jetten zu Geert Wilders in einer TV-Debatte
Auch hat der Liberale erfolgreich ein Problem angesprochen, das Millionen Bürger umtreibt: die unbewältigte Wohnungskrise. Nach Berechnungen von Fachleuten fehlen rund 400.000 Wohnungen. Jetten will massiv gegensteuern und beklagte in seinen Reden immer wieder, dass die niederländischen Regierungen in den letzten fünfzehn Jahren versäumt hätten, eine Lösung zu finden.
Am meisten profitierte der Politiker aber von seiner konsequenten Positionierung gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders. In den letzten Tagen des Wahlkampfes griff er diesen immer wieder scharf an und präsentierte sich selbst als Erneuerer. Im Gegensatz zum rückwärtsgewandten Wilders verkörperte Jetten einen modernen, progressiven Politikertypus. In der letzten TV-Debatte vor der Abstimmung schleuderte ihm Jetten entgegen: „20 Jahre haben wir uns Ihren griesgrämigen Hass anhören müssen, ohne dass etwas gelöst wurde!“

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Der proeuropäische Jetten hat in den vergangenen Jahren selbst viel politische Erfahrung in Den Haag gesammelt. Er wurde 2017 erstmals ins Parlament gewählt und bereits ein Jahr später der jüngste Fraktionsvorsitzende seiner Partei. 2022 wurde er Klimaminister. Als die Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Mark Rutte 2023 platzte, kehrte Jetten zurück in die Opposition.
Was den 38-Jährigen in Zukunft ebenfalls erwartet, wurde unmittelbar nach dem Schließen der Wahllokale deutlich. Im Internet ergoss sich der Hass über den offen homosexuellen Politiker. Jetten ist mit dem argentinischen Profi-Eishockeyspieler Nicolás Keenan verlobt, sie wollen bald heiraten.
Auch in den angeblich toleranten Niederlanden sei das nicht selbstverständlich, sagt Jetten. Was er damit meinte, demonstrierte er vor einigen Jahren, als er ein Video veröffentlichte, in dem er eine lange Liste homophober Nachrichten von seinem Handy vorlas.
Bei seiner ersten Wortmeldung nach der Wahl versprach Jetten am Donnerstag eine rasche Suche nach Koalitionspartnern. „Es muss schnell eine stabile Regierung gebildet werden“, sagte er in Den Haag. Leiten lässt sich der liberale Aufsteiger auch bei dieser schwierigen Aufgabe von seinem Wahlslogan: „Het kan wel“ – es ist möglich. Eine Jetten-typische, optimistische Formulierung, angelehnt an den Satz seines großen Vorbildes Barack Obama: „Yes, we can“.
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