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© AFP/JOSEPH PREZIOSO

Trump und die Migration: Einwanderungsfeindliche Politik führt zu massiven Kosten

Die Wirtschaft hoch entwickelter Länder braucht Migranten. Trumps Politik der geschlossenen Grenzen könnte teurer werden als seine Zölle und sonstigen Handelshemmnisse.

Ein Gastbeitrag von Kenneth Rogoff

Stand:

Die Einwanderung ist zur zentralen Konfliktlinie in der Politik geworden. Nirgends wird dies deutlicher als in den USA und im Vereinigten Königreich, wo die Rhetorik immer absurder wird.

Die grundlegenden wirtschaftlichen Zusammenhänge jedoch sind bemerkenswert einfach. Die meisten hoch entwickelten Volkswirtschaften altern rapide. Und: Mit dem demografischen Rückgang geht eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung einher.

Auch wenn Automatisierung und künstliche Intelligenz einige dieser Probleme womöglich lindern: Sie können nicht den rasch wachsenden Bedarf an Arbeitskräften in der Gesundheits- und Altenpflege decken oder die Arbeit von Erziehern und Klempnern erledigen, bei der der Mensch nach wie vor unersetzlich ist.

Im Gegensatz dazu gibt es in den Entwicklungsländern ein enormes Arbeitskräfteangebot, aber nicht genug gute Arbeitsplätze, um es zu nutzen. Allein in Afrika dürfte die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter im nächsten Vierteljahrhundert um mehr als 600 Millionen steigen. Weltweit liegt die Zahl eher bei einer Milliarde.

Das Ergebnis ist eine chronische Jugendarbeitslosigkeit, die in vielen einkommensschwachen Ländern mit ziemlicher Sicherheit zu politischer Instabilität und zivilen Konflikten führen wird.

Verschärft werden diese Belastungen durch den Klimawandel, der die Entwicklungsländer am härtesten treffen dürfte und die Migrationsströme in reichere Länder beschleunigen wird.

Herkunftsländer und Zielländer profitieren

Ökonomen argumentieren seit Langem, dass eine Lockerung der Beschränkungen für die grenzüberschreitende Mobilität sowohl den Ziel- als auch den Herkunftsländern enorme Vorteile brächte. Dabei ließe die derzeit in den entwickelten Ländern zu beobachtende heftige Gegenreaktion gegen die Einwanderung eigentlich etwas anderes vermuten.

Syrische Flüchtlinge aufzunehmen, zählt zu den unpopulärsten Entscheidungen der damaligen Kanzlerin Angela Merkel.

© Imago

Angela Merkels Entscheidung aus dem Jahr 2015, eine Million syrische Flüchtlinge aufzunehmen, ist die in Deutschland womöglich unpopulärste Entscheidung ihrer 16-jährigen Amtszeit als Bundeskanzlerin, so moralisch mutig sie damals auch erscheinen mochte. Die Frustration über die steigende Zahl von Migranten war eine der Hauptursachen für die Entscheidung Großbritanniens zum Austritt aus der Europäischen Union im Jahr 2016.

Die Entwicklung der USA während des vergangenen Jahrzehnts ist besonders beunruhigend. Historisch gesehen war die Fähigkeit des Landes, ehrgeizige Menschen aus der ganzen Welt anzulocken, eine seiner größten Stärken, die das Wirtschaftswachstum, die Innovation und die kulturelle Vitalität ankurbelte.

US-Universitäten ziehen Talente an

Insbesondere die amerikanischen Universitäten haben sich als Magneten für globale Talente erwiesen und lockten begabte Studenten an, die dort nicht nur eine hochwertige Ausbildung absolvieren, sondern sich auch ein Leben und eine Karriere in den USA aufbauen wollen. Dieser Ansatz hat sich ausgezahlt. Denn fast die Hälfte aller Fortune-500-Unternehmen wurde von Einwanderern oder ihren Kindern gegründet.

Doch diese Säule der amerikanischen Dynamik droht zu zerbröckeln. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat die Grenzen faktisch geschlossen, Razzien und Abschiebungen durch die Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) zu einem öffentlichen Spektakel gemacht – vorgeblich, um die sogenannte Politik der offenen Grenzen des ehemaligen Präsidenten Joe Biden rückgängig zu machen.

Die schockierenden Bilder venezolanischer Migranten, denen Verbindungen zu kriminellen Banden vorgeworfen und die in das berüchtigte Terrorismus-Gefängnis in El Salvador abgeschoben wurden, mögen dazu beigetragen haben, dass die Zahl illegaler Grenzübertritte in der Folge sank.

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Millionen Einwanderer kamen zwischen 2020 und 2024 in die USA.

Doch hat diese ostentative Grausamkeit auch zu einer Abkühlung bei der legalen Einwanderung geführt und viele der qualifizierten und ehrgeizigen Menschen abgeschreckt, die lange Zeit eine Grundlage für Innovation und Wachstum in den USA bildeten.

Schädlich für das Wachstum

Das harte Vorgehen der Trump-Regierung gegen internationale Studenten hat sich als besonders destruktiv erwiesen. Es trifft sicherlich zu, dass die Politik der Biden-Ära einen Anstieg der irregulären Einwanderung ausgelöst und zugleich die legalen Möglichkeiten einer wirtschaftlich vorteilhaften Zuwanderung eingeschränkt hat. Zwischen 2020 und 2024 kamen etwa elf Millionen Einwanderer in die USA – die tatsächliche Zahl könnte noch viel höher sein.

US-Präsident Trump setzt auf einen harten Kurs in Sachen Migration.

© AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Eine ähnliche Dynamik spielt sich in weiten Teilen der entwickelten Welt ab: Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich tun sich sämtlich schwer mit der Integration weitaus kleinerer Einwandererbevölkerungen, deren kulturelle Traditionen sich deutlich von denen der meisten einheimischen Bürger unterscheiden.

Die wirtschaftlichen Argumente für die Einwanderung bleiben vor diesem düsteren Hintergrund überzeugend wie eh und je. Jüngste Untersuchungen legen nahe, dass die Kosten von Trumps einwanderungsfeindlicher Politik für das Wachstum die mit seinen Zöllen und sonstigen Handelshemmnissen verbundenen Kosten langfristig deutlich übersteigen werden.

Wenn sich die politischen Trends fortsetzen, dürfte sich die Kluft zwischen den wirtschaftlichen Rahmendaten und den politischen Entscheidungen noch vergrößern. Das würde dann dazu führen, dass die entwickelten Länder auf die vor ihnen liegenden Herausforderungen erschreckend schlecht vorbereitet wären.

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