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ARCHIV - 27.01.2023, Sachsen, Chemnitz: Renate Aris, letzte Holocaust-Überlebende der Stadt Chemnitz, steht während einer Gedenkstunde im Park der Opfer des Faschismus. (zu dpa: «Holocaust-Überlebende appellieren an junge Leute: Geht zur Europawahl») Foto: Sebastian Willnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Sebastian Willnow

„Wir konnten es damals nicht verhindern“: Holocaust-Überlebende appellieren an junge Leute, wählen zu gehen

„Nie wieder ist jetzt“, steht über einem Brief hochbetagter Überlebender der NS-Verfolgung. Sie fühlen sich erinnert an die Zeit der Machtübernahme der Nazis 1933.

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Vor der Europawahl haben acht hochbetagte Holocaust-Überlebende in einem offenen Brief an junge Leute appelliert, ihre Stimme für die Demokratie zu nutzen. „Für Millionen von Euch ist die Europawahl die erste Wahl in Eurem Leben – für viele von uns könnte es die Letzte sein“, heißt es in dem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Schreiben. „Gebt der Demokratie eine Chance. Geht wählen. Zeigen wir gemeinsam, dass ‚Nie wieder‘ nicht nur eine Phrase ist, sondern ein Versprechen. Ein Versprechen, das auch heute gilt. Und morgen. Und für immer.“

Zu den Unterzeichnern gehören der 102 Jahre alte Georg Stefan Troller, die fast ebenso alten Zeitzeugen Leon Weintraub, Walter Frankenstein, Eva Szepesi, Ruth Winkelmann und Margit Korge sowie Renate Aris (88) und Eva Umlauf (81), die die NS-Verfolgung als Kinder überlebt haben. Der offene Brief trägt den Titel: „Nie wieder ist jetzt“.

Zeigen wir gemeinsam, dass ‚Nie wieder‘ nicht nur eine Phrase ist, sondern ein Versprechen. Ein Versprechen, das auch heute gilt. Und morgen. Und für immer.

Offener Brief an junge Menschen in Europa

Der 98-jährige Weintraub erläuterte dazu: „Vier von fünf meiner nächsten Verwandten, meine Geschwister, meine Eltern, meine Cousins, sind ermordet worden. Das ist das Ergebnis, die Folge von der Haltung „Wir sind besser als andere“. Und die Folgen von diesen radikalen Gedanken, das auf andere Herabschauen, die Fremdenfeindlichkeit. Das führt dazu, dass sich leider die Geschichte wiederholen könnte. Und das darf sie nicht.“

Frankenstein betonte, er habe die Erfahrung von 1932 und 1933. „Und ich weiß, dass es damals eine ähnliche Entwicklung gab wie heute: eine schwache demokratische Regierung und eine Partei, die die Leute sammelte, die unzufrieden waren“, erklärte der 99-Jährige. Heute lasse sich dies verhüten. „Deshalb dürfen heute junge Leute nicht sagen ‚Ja, ich weiß nicht, wen ich wählen soll, also gehe ich lieber gar nicht‘. Das ist das Schlimmste, was man machen kann. Unsere Demokratie muss immer wieder neu verteidigt werden.“

Der offene Brief wurde am Dienstag von der Organisation Avaaz veröffentlicht und kann mitgezeichnet werden. Die Europawahl ist in Deutschland am kommenden Sonntag.

Zentralrats-Präsident fordert, Europa nicht den Populisten zu überlassen

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat zur Teilnahme an der Europawahl am 9. Juni aufgerufen. „Ein geeintes Europa war kaum jemals wichtiger als heute. Wir werden als Demokratien nur dann bestehen, wenn wir es erhalten“, heißt es in einem Beitrag Schusters für die „Jüdische Allgemeine“ (Online). „Die EU ist dabei nur so stark, wie wir sie machen“, mahnt der Zentralratspräsident.

„Wir sollten die EU nicht über jede Kritik erheben, sondern ernsthaft an Verbesserungen der Institutionen und Verfahren arbeiten“, schreibt Schuster. „Wir spielen ansonsten den Populisten und Extremisten in die Karten, die Spaltung predigen.“ Man könne ein geeintes Europa als eine Stärke begreifen, die sich zum Beispiel in der politischen und militärischen Unterstützung der Ukraine zeigt. (dpa, epd)

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