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Zu Gast bei den Deutschen Autor:innentheatertagen 2025: Marie Schleefs Inszenierung „Er putzt“.

© Maximilian Borchardt

11 Festivaltage, 11 Berlin-Premieren: Theater ohne Worte und Menschen aus der zweiten Reihe

Die „Autor:innentheatertage 2025“ am Deutschen Theater Berlin liefern einen Blick auf aktuelle Themen und Stoffe im Theater. Eine Vorausschau auf elf Festivaltage.

Stand:

Eine Pension in der ostdeutschen Provinz. Der Besitzer, „Onkel Werner“, ist von Politik und Leben schwer desillusioniert. Sein Geschäftsmodell wirft zu wenig ab, die Gäste bleiben aus. Weshalb Werners Schwägerin, die „Linke“-Politikerin Alexandra, den Plan ausheckt, die Pension zu verkaufen und in Krypto-Währung zu investieren.

Klingt vage bekannt, wenn auch aus ziemlich weiter Ferne? Stimmt, denn hinter Jan Friedrichs Inszenierung vom Theater Magdeburg verbirgt sich ein zeitgeistiges Update von Anton Tschechows Dramenklassiker „Onkel Wanja“.

Seit 2009 am Deutschen Theater

Die Kanon-„Überschreibung“ von Regisseur Friedrich, der mit seiner Adaption von Kim de l`Horizons „Blutbuch“ gerade erst beim Berliner Theatertreffen reüssierte, ist eines der drei Gastspiele, mit denen jetzt die traditionellen Autor:innentheatertage am Deutschen Theater Berlin starten. Ulrich Khuon hatte das Festival für Gegenwartsdramatik bei seinem Intendanzstart 2009 von seinen vorherigen Wirkungsstätten mitgebracht und zu einer festen Größe im hauptstädtischen Theaterleben etabliert. Seine Nachfolgerin, DT-Chefin Iris Laufenberg, führt es mit kleinen Modifikationen fort.

Elf Tage lang ist im DT der Status quo der Theatertextschreibung zu begutachten – in elf Gastspielen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Die besagte „Überschreibung“, die eine Zeitlang als die Trend-Disziplin für junge Gegenwartsdramatikerinnen und -dramatiker galt, erweist sich dabei nur als ein Ansatz unter vielen.

Neben „Onkel Werner“, dem Festival-Aufschlag in der Kammerbühne, zeigt er sich etwa in Christopher Rüpings Sophokles-Aktualisierung „Ajax und der Schwan der Scham“ vom Hamburger Thalia Theater, deren Titelheld – auf eine andere Art als „Onkel Werner“ – zu den Übergangenen gehört, zu den Erscheinungen in der zweiten Reihe.

Auffällig ist bei den diesjährigen „ATT“ ein Hang zum großen Erzähltheater. Aus der Schweiz kommen gleich zwei Abende aus diesem Segment. „Die Krume Brot“, eine Adaption von Lukas Bärfuss` gleichnamigem Roman fürs Theater Basel, die das Festival auf der großen Bühne eröffnet, wirft einen thematisch ungewöhnlichen Blick auf die Alpenrepublik: In großformatigen Familienhistorienbögen wird hier unter der Regie von Antú Romero Nunes eine Geschichte von Armut und Einwanderung erzählt.

Und aus Zürich meldet sich die Dramatikerin Dea Loher mit einem neuen Stück zu Wort: „Frau Yamamoto ist noch da“ gehört zu den sieben bemerkenswertesten Theatertexten der Saison, die vor wenigen Tagen um den „Mülheimer Dramatikpreis“ konkurrierten, und fängt in einer von Jette Steckel grandios inszenierten Short-Cuts-Dramaturgie eine Vielzahl gegenwärtiger Paare und Passanten mit weithin anschlussfähigen Problemen ein: von Beziehungsstress über Viren-Dystopien bis zu künstlicher Intelligenz.

Einen sehr besonderen Abend haben die ATT mit Marie Schleefs Inszenierung „Er putzt“ vom Hessischen Staatstheater Wiesbaden im Programm – zumal als gegenwartsdramatisches Festival. Denn in dieser hochinteressanten Produktion, in der sich drei Personen zu einem eigens komponierten „ASMR“-Soundtrack abendfüllend in Slow Motion über die Bühne bewegen, fällt kein einziges Wort.

Und dennoch kann man sie als absolut texttreu bezeichnen: Der zugrundeliegende Elfseiter „Er putzt“, mit dem die Autorin Valeria Gordeev 2023 den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis gewann, beschreibt minuziös eine Wohnungsreinigungsprozedur in Verbindung mit einem assoziativen Gedankenstrom, dessen Bestandteile Schleef und ihre Bühnenbildnerin Lina Oanh Nguyễn detailgenau in das Bühnenambiente übersetzt haben. Unbedingt sehenswert – nicht nur für Putzfetischistinnen und -fetischisten.

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