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US-Autor Michael Wolff stellt bei der deutschen Buchpremiere in der Volksbühne sein Enthüllungsbuch "Feuer und Zorn" vor.

© Jens Kalaene/dpa

"Fire and Fury"-Autor in Berlin: Absurdes Theater mit Trump und Wolff

Der US-Autor Michael Wolff sprach in der Berliner Volksbühne über sein Trump-Buch "Feuer und Zorn". Ein schwieriges Realitätstheater.

Von Anna Sauerbrey

Es gibt wohl keinen passenderen Ort für die Deutschlandpremiere von „Feuer und Zorn“ als ein Theater. Am 5. Januar ist Michael Wolffs „Insider-Bericht“ aus dem Weißen Haus in den USA erschienen. Der Rowohlt-Verlag brachte die deutsche Fassung am 16. Februar auf den Markt. Am Montagabend nun sprach Michael Wolff in der Volksbühne über sein Buch – der erste von insgesamt drei öffentlichen Auftritten in Deutschland. Und da saß er nun, der Mann mit dem Medienbeinamen „Skandalautor“, in volksbühnentypisch angekratztem Sperrmüllmobiliar, vor dem schweren blauen Vorhang, ein New Yorker Intellektueller mit kurzgeschorenem Haar, im lässig-eleganten Anzug, und erklärte dem Moderator Thomas Böhm seine Arbeitsweise.

Zwischen den Gesprächspassagen las Frank Arnold Auszüge aus der deutschen Fassung des Buches. Der hochdekorierte Sprecher, der als Assistent von Samuel Beckett Theatererfahrungen gesammelt hatte, saß etwas abseits an einem Pult im Lichtkegel einer alten Schreibtischlampe und blinzelte durch seine Nickelbrille auf den Text, den er vortrug. Zum Beispiel jene „Rede“, die Trump nur einen Tag nach Amtsantritt am 21. Januar in der CIA-Zentrale in Langley hielt. Trump ist nach Darstellung von Wolff an diesem Tag völlig neben der Spur. Eine der zentralen Thesen des Buches ist, dass Trump nie hatte Präsident werden wollen. Nun ist Trump einen Tag im Amt und hat den ersten größeren Skandal an der Hacke.

Er hatte behauptet, das größte Publikum („Millionen!“) jemals zu einer Amtsantrittsrede zusammengebracht zu haben, während Fernsehbilder eine halb leere Mall zeigten und die Medien von 250.000 Besuchern sprachen. Vor 300 CIA-Mitarbeitern bramarbasiert Trump völlig wirr vor sich hin, kein Gedanke passt zum anderen, er fühle sich wie 30, er sei der am häufigsten auf dem Cover des „Time“-Magazine abgebildete Mann, er sei intelligent, er liebe die CIA, Gott habe den Regen während seiner Antrittsrede gestoppt und so weiter. Das Publikum, nicht zuletzt CIA-Direktor Mike Pompeo, kann es nicht fassen.

Frank Arnold liest Michael Wolffs Trump-Buch "Feuer und Zorn" als absurdes Theater

Arnold liest das kunstvoll, der unpräsidiale Rant des Donald Trump wird zu einem bizarren Crescendo von Zusammenhangslosigkeit und Kohärenz gleichzeitig. Da steckt der ganze Trump drin, seine ganze Psychopathologie, der Narzissmus, die permanente Gekränktheit, die Unfähigkeit zur Reflexion, überhaupt zu mehr als assoziativem Denken (noch so eine zentrale Wolff-These). Das Volksbühnen-Publikum johlt. Michael Wolff lauscht mit einem feinen Lächeln. Eine junge Frau in der fünften Reihe verschüttete ihr Bier und murmelte immer wieder: „Oh Gott, oh Gott.“ Und damit hat der Verlag tatsächlich alles, was so faszinierend und alles, was so problematisch ist an Wolffs Bericht aus dem Weißen Haus perfekt inszeniert.

Absurdes Theater, indeed, nur real. Wolffs Schilderung umfasst die ersten neun Monate der Amtszeit von Donald Trump und endet mit einem Auftritt von Steve Bannon als Breitbartchef im Herbst 2017, sechs Wochen nach seinem Rausschmiss als Trumps Chefberater im Weißen Haus. Wolff konzentriert sich auf das große Theater, auf die internen Streitigkeiten, den Stil, den Klatsch, die Persönlichkeiten. Er zeigt die chaotische Arbeitsweise und die Ad-hoc-Entscheidungen, deutet Ehekrisen an und schwelgt in zwischenmenschlicher Missgunst.

Zentrales Thema sind die Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Fraktionen im Weißen Haus, den „Bannonites“ und der „Jarvanka“-Fraktion, also dem Zirkel um Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und seine Tochter Ivanka Trump, zu der auch Berater wie Dina Powell (die mittlerweile gekündigt hat) und der Wirtschaftsberater Gary Cohn gehören (beide ehemals Goldman Sachs), später auch der neue Stabschef John Kelly und der Nationale Sicherheitsberater Herbert McMaster. Das Shakespeare’sche Drama und die Beckett’sche Absurdität sind es, was Wolff am Weißen Haus interessiert.

Michael Wolffs Erzählung über die Chaostage im Weißen Haus ist mittlerweile beinahe historisch, so schnell dreht Trump die Zeit

Wahrscheinlich ist es wirklich das, was er gesehen hat. Wolff beschreibt auch in der Volksbühne noch einmal, wie er Stunden um Stunden darauf wartet, dass Mitarbeiter zu Interviewterminen erscheinen, wie er also in den Fluren des West Wings herumsitzt, zum Faktotum wird, warum auf einmal alle mit ihm reden. Richtige Interviews sind es nicht. Viele seiner Protagonisten, nicht zuletzt Trump, bestreiten daher nach Erscheinen des Buches, jemals mit Wolff gesprochen zu haben. Seine Quellen sind wohl vor allem Steve Bannon selbst, die (mittlerweile auch Ex-) stellvertretende Stabschefin Katie Walsh und Trumps Konfidentin Kellyanne Conway. Sein Ziel sei es gewesen, den Lesern den Eindruck zu vermitteln, sie seien wirklich vor Ort – deshalb der freie Umgang mit Zitaten und Situationsbeschreibungen, deshalb das Theaterhafte.

Das alles führt dazu, dass man auf schreckliche Weise unterhalten wird – so auch in der Volksbühne - Trump aber gleichzeitig nicht ernst nimmt. Trump werde die Amtszeit nicht zu Ende bringen, sagte Wolff am Montag in Berlin. „Und er wird keinen Krieg gegen Nordkorea führen. Krieg zu führen, ist schwierig. Dafür muss man sich länger am Stück auf eine Sache konzentrieren können. Man muss komplexe Informationen verarbeiten können“ - und all das könne Trump nicht. Trump sei wahrscheinlich nicht dement, meint Wolff. „Wahrscheinlich ist es eher Dummheit.“ „Die Trump-Regierung wird nicht so schlimm wie die Bush-Regierung“, ist Wolff überzeugt. Wolff porträtiert Trump in der Volksbühne als harmlose Lachnummer. Und sein Publikum nimmt das dankend an.

Wolffs Porträt des ineffektiven Präsidenten ist allerdings -  wie das Buch an sich - eine beinahe schon historische Erzählung. Trump hat die Zeit beschleunigt. Das Jahr seit seinem Amtsantritt und selbst die Wochen seit Erscheinen des Buches in Amerika, sind im Stakkato der Ereignisse vorbeigeflogen. Ein guter Teil der Protagonisten von „Feuer und Zorn“ arbeitet mittlerweile gar nicht mehr im Weißen Haus. Die „Jarvankas“ haben sich durchgesetzt, die Chaos-Tage sind ein Stück weit vorbei, wenn das auch nicht Trumps Verdienst ist. Mit der Steuerreform ist dem Präsidenten ein politischer Coup gelungen. Er sitzt mit den Demokraten am Verhandlungstisch über Einwanderungsreformen. Seine Regierung dreht massiv Umweltgesetze der Obama-Ära zurück und schafft außenpolitische Fakten im Nahen Osten, ganz ohne Krieg.

In den USA wurde "Feuer und Zorn" schon zwei Millionen mal verkauft

„Das Buch ist auch deshalb so gut, weil es so gut zu Trump passt“, sagt Moritz Schuller, der das Sachbuchprogramm bei Rowohlt leitet. „Trump ist einer, der die Welt beobachtet, ohne Kriterien zu haben, das war auch die Herangehensweise von Wolff.“ Und tatsächlich bleibt es als Charakterstudie lesenswert. Das finden offenbar auch Leser weltweit.

In den USA hat es sich in den ersten vier Wochen nach Erscheinen zwei Millionen Mal verkauft. Im Februar erscheint das Buch unter anderem in Japan und England. In Deutschland steht „Feuer und Zorn“ auf Platz eins der Spiegel-Bestseller-Liste, Rowohlt druckte eine Startauflage von 300.000 Exemplaren. Die Volksbühne war ausverkauft – wenn auch schließlich etwa 100 Plätze frei blieben. Nur die reale Kälte störte das große Theater.

Am Dienstag, 27.02.2018 spricht Michael Wolff um 20.30 in Hamburg mit „Zeit“-Herausgeber und Tagesspiegel-Kolumnist Josef Joffe über sein Buch (Kampnagel, Jarrestraße 20). Am Mittwoch, 29.2.2018, liest er im Rahmen der lit.Cologne (Stadthalle Mühlheim, Jan-Wellem-Str. 2). Alle Termine auch hier auf den Seiten des Verlags.

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