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Kultur: Alles echt?

Das "Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach" und sein Leiter Hartmut Haenchen wollten im Kammermusiksaal der Philharmonie ein Konzert nachspielen, wie es am Hof Friedrich II.- eventuell - möglich war.

Das "Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach" und sein Leiter Hartmut Haenchen wollten im Kammermusiksaal der Philharmonie ein Konzert nachspielen, wie es am Hof Friedrich II.- eventuell - möglich war.Schon damals galt die "Berliner Schule" wegen ihres friderizianischen Gemischs aus Aufgeklärtheit und Galanterie als etwas zopfig.Bei den meisten aufgeführten Werken waren jedoch Zweifel angebracht, ob sie jemals am Preußischen Hof erklangen.

Um das scheuende Programmpferd mal vom Schwanz her aufzuzäumen: Oft werden die dem königlichen Thema "geopferten" Ricercars und Kanons von Johann Sebastian Bach nicht erklungen sein, vielmehr wird des Königs Schwester Amalia die Komposition in ihren Schatullen gehütet haben.Das Ensemble spielte eine von Hartmut Haenchen eingerichtete streichorchestrale Fassung des dreistimmigen Eingangsricercars des "Musikalischen Opfers", das Bach ursprünglich in Potsdam am Cembalo so ähnlich improvisierte.Enorm effektvoll hat Haenchen die drei auf fünf Stimmen solistisch und chorisch wandernd verteilt, die Transparenz blieb erhalten, allein die nur in einer intimen Version mögliche individuelle Ausschmückung der Stimmen litt.

Auch die in seiner Hamburger Zeit für eine Wiener Soiree komponierte Sinfonie E-Dur von C.P.E.Bach wird in Berlin damals nicht erklungen sein.Der aufbrausende Charakter dieser emphatischen Musik wurde ziemlich deutlich, wenn auch die wirkliche Härte im Kontrast zu den Lieblichkeiten oft nur ahnbar war.

Jeder Hof, der auf sich hielt, hielt sich damals einen böhmischen Tonsetzer.In Berlin war es Frantisek Benda - ein musikalischer Hofnarr mit entsprechenden Freiheiten.Von seinem kurzzeitig am Hof bestallten Bruder Jirí Anton"in stammte eine laut Programmzettel hier erstmals aufgeführte, noch zwischen Gefälligkeit und bedenklichen harmonischen Wendungen schwankende Sinfonie.Eine Sensation war das dämonisch gedämpfte Adagio aus einem Doppelkonzert für Violine und Gambe von Johann Gottlieb Graun, das er wohlweislich für die Schublade komponiert haben muß und dessen Stimmen bis heute nicht fertig ausgesetzt werden konnten.Hier wie auch später im Concerto grosso des gleichen Graun fiel besonders Susanne Braumann an der Gambe mit stilechtem und lebhaftem Strich, sauber und präzise dialogisierend, angenehm ins Gehör.

PETER SÜHRING

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