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Der weltgrößte Online-Händler Amazon.

© dpa

Protest von mehr als 900 Autoren: Amazon ist nicht amoralisch

Mehr als 900 Autoren protestieren in der „New York Times“ gegen Amazon – doch sie übersehen eines: Der Konzern ist nicht amoralisch. Amazon ist in erster Linie Händler. Den Quellcode der Branche haben andere in der Hand. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Am 14. August erscheint „Der Circle“, der neue Roman von Dave Eggers. Die gebundene Ausgabe kostet 22,99 Euro, die E-Book-Ausgabe bei Amazon wird für 19,99 Euro angeboten. Der Leser kann für ein und dieselbe Lektüre drei Euro sparen. Was aber seinen Preis hat: Das günstigere E-Book bei Amazon verlangt den E-Book-Reader von Amazon. Und dieser Kindle amortisiert sich à la longue nur, wenn immer mehr E-Books bei der Internetplattform eingekauft werden. Die dann wieder günstiger sind als die gebundenen Ausgaben. Lesen heißt sparen, sparen heißt lesen – Amazon reibt sich die Hände.

Und der Autor? Ist der Anteil von Dave Eggers an 22,99 Euro Verkaufspreis größer als an 19,99 Euro? Auf jeden Fall muss er größer sein, als wenn das E-Book nur 9,99 Dollar, also etwa 7,45 Euro, kostet. Um diesen Preis dreht sich ein Streit zwischen dem Online-Händler und dem US-Verlag Hachette. Amazon verlangt, dass es digitale Bücher von Hachette für diesen und keinen anderen Preis anbieten kann. Der Verlag stemmt sich gegen den E-Book-Deal und wird deswegen von Amazon massiv unter ökonomischen Druck gesetzt.

Jeff Bezos gibt sich rigoros

Die Auseinandersetzung hat am Wochenende eine ungleich größere, eine grundsätzliche Dimension bekommen. Mehr als 900 Schriftsteller, darunter berühmte Autoren wie Stephen King, John Grisham oder David Baldacci, haben in einer ganzseitigen Anzeige in der „New York Times“ für Hachette Partei ergriffen. „Weder Leser noch Autoren profitieren davon, dass Bücher als Geiseln genommen werden“, heißt es dort.

Amazon und sein Gründer Jeff Bezos geben sich rigoros. E-Books für 9,99 Dollar verkauften sich besser, davon würden Verlage und Autoren gleichermaßen profitieren. Außerdem müsse Literatur immer günstiger werden, wenn sie sich im Konkurrenzkampf mit den übrigen Medien wie mobilen Spielen, Fernsehen, Filmen, Facebook, Blogs behaupten wolle.

Der Online-Riese macht seinen Vertragspartnern aus der Verlagsbranche nichts vor: Ein Buch ist eine Ware, „Der Circle“ nur so gut, wie sich das Buch/das E-Book im Vergleich mit der TV-Serie „Game of Thones“ verkauft. Amazon ist nicht amoralisch, Amazon ist Händler, es geht um 9,99 Dollar für Literatur und nicht um Literatur für 9,99 Dollar.

Die Marktmacht von Amazon kommt nicht aus dem Banausentum seiner Mitarbeiter

Muss der Literaturfreund jetzt kollabieren? Die Marktmacht von Amazon kommt nicht aus dem Banausentum seiner Mitarbeiter, sie stammt aus dem Einkaufsverhalten seiner Kunden. Die schauen, vergleichen, bestellen – bei Amazon. Der Preis ist heiß, der Service bequem und umfassend. Amazon ist Händler von allem und – bisher – nicht Produzent von irgendetwas. Autoren sind Urheber von Literatur, Verlage sind Produzenten und Händler von Literatur.

Die Branche hat den Quellcode in der Hand. Sie lernt nur mühsam, aber immerhin lernt sie, dass der Vertrieb von Büchern mehr ist als das Pochen auf die Buchpreisbindung. Der Umsatz im stationären Buchhandel ist wieder gewachsen, auch weil Amazon wegen der Behandlung seiner Mitarbeiter in die Kritik geriet, aber auch, weil der Kauf eines Buches auf Rat, Empfehlung und Vertrauen gründet. Der nächste Schritt steht: Die Verlage beweisen überzeugend, dass Dave Eggers vom gebundenen Buch zu 22,99 Euro mehr profitiert als vom Amazon-E-Book zu 19,99 Euro. Damit dieser große Autor in die Unabhängigkeit versetzt wird, sein nächstes, sehr viel besseres Buch als den „Circle“ zu schreiben.

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