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Das Wort des Jahres «Ampel-Aus» steht an erster Stelle, gefolgt von den Wörtern «Klimaschönfärberei», «kriegstüchtig» und «Rechtsdrift», auf einer Tafel in den Räumlichkeiten der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS).

© dpa/Jens Albes

„Ampel-Aus“: Ist dies tatsächlich das Wort des Jahres?

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat sich erneut für einen Ausdruck entschieden, der über das bloße Ereignis, das er bezeichnet, nicht hinausgeht.

Ein Kommentar von Gregor Dotzauer

Stand:

Das Ärgerlichste vorneweg: Als hochmögende, unter dem Namen Gesellschaft für deutsche Sprache firmierende Körperschaft ausgerechnet das „Ampel-Aus“ zum Wort des Jahres zu wählen, ist ein Kunststück, das mit der Aberkennung aller Professorentitel im Vorstand und dem Entzug sämtlicher germanistischer Ehren geahndet werden müsste.

Es handelt sich nämlich, wenn da nicht eine unerträgliche deutsche Selbstbezogenheit ins Spiel käme, bestenfalls um das Ereignis des Jahres. Linguistisch ist die Bezeichnung unauffällig und in höchstem Maße deskriptiv. Selbst als Neologismus fügt sie dem unwürdigen Koalitionsspektakel der letzten Jahre keine Perspektive und keine Wertung hinzu. Unoriginell ist die Wahl des notorisch fantasielosen Gremiums ohnehin: 2017 machte schon das „Jamaika-Aus“ das Rennen.

Aber gemach. Für Beziehungsprobleme, wie sie im „Ampel-Aus“ angesprochen werden, sind manche taub, und manche hören Nachtigallen trapsen. Was das Liebesaus von Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem Gatten Daniel Holefleisch damit zu tun hat, ist im Einzelnen noch zu klären. Wobei die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass längere Abwesenheiten in anderen Zeitzonen schneller dazu führen, dass der Ofen aus ist, als selbst gutwillige Menschen nachheizen können.

Und wo es schon um Heim und Herd geht, kommt Christian Lindner vielleicht um seinen ganz persönlichen D-Day herum, wenn er für seine Frau Franca Lehfeldt demnächst in die sperrklauselinduzierte Parlamentspause einer Elternauszeit geht.

Zurück ins linguistische Leben. Probleme entstehen immer da, wo das Präfix „aus“ als eine Art Suffix zum Synonym für ein Ende wird. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, das sich in solchen Fällen immer zu konsultieren lohnt, nennt eine schwindelerregende Zahl von Verben, die, als echtes Tunwort verstanden, das Ampel-Aus vielleicht hätten verhindern können.

Die Koalitionäre hätten sich sehr viel früher ausbuben sollen, wie es bei Luther für den Weg zu menschlicher Reife heißt. Man hätte „die verschwerzte und besudelte lere ausbeuchen“ (auswaschen) müssen, wie es der Reformator Johannes Mathesius empfiehlt, und den politischen Wildwuchs frühzeitig ausästen. Stattdessen haben sich alle Beteiligten viel zu lange im Ausducken geübt. Es ist zum Auskiffeln.

Die gerechte Strafe ist das Ampel-Aus. Die Lichter an der Kreuzung sind erloschen, nicht einmal mehr rechts vor links gilt noch, weit und breit niemand, der den Verkehr regelt. Es ist ein Graus, und niemand weiß, ob es im nächsten Jahr besser wird.

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