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Kultur: Außer Thesen nichts gewesen

„Wittenberg“ in der Vagantenbühne

Wie war das mit dem Anschlag der 95 Thesen zum Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg? Der amerikanische Dramatiker David Davalos, Jahrgang 1965, hat da eine geschichtsumstürzende Idee. Martin Luther, so seine kühne Erfindung, wollte mit der kritischen Wortmeldung zur unsauberen Geldbeschaffung des Papstes gar nicht an die Öffentlichkeit. Faust war es vielmehr, der vielfach Gelehrte, der das Papier an die Türe heftete, um den theologischen Freund und Widerpart ein bisschen zu provozieren. Oder hatte gar der im Wissenschaftler versteckte Teufel seine Hand im Spiel?

Davalos jedenfalls hält in seinem Stück „Wittenberg“ alles für möglich. Denn zu den bei Wein und Bier disputierenden Herren Luther und Faust gesellt er noch den Dänenprinzen Hamlet und allerlei Damenbesuch – Gretchen, Helena, die Gottesmutter Maria und eine diplomatische Gesandte aus dem Lande, in dem etwas „faul“ ist. Zwar spielt alles brav und historisch exakt im Jahre 1517, aber ernst gemeint ist es natürlich nicht. Es kommen Zeitgenossen auf die Bühne, die über Mittelalter arbeiten, sich wohl gelehrsam unterhalten (mit mancherlei verbürgtem Text) und um Lebensweisheiten ringen, vor allem aber kräftig einen draufmachen. Da fliegen die Fetzen – „krass“, wie Faust zuweilen von sich gibt. Und dennoch, dieser freche Zeiten-Mix, dieses überlegene Spiel mit Erfindung und gesicherter Historie hat seinen Reiz. Bei den Berliner „Vaganten“ kam es nun unter der Regie von Peter Lackner auf die Bühne, und es zeigte sich, dass die aus Geschichte und Dichtung geholten, gewissermaßen „knetbaren“ Figuren des Amerikaners nicht so leicht zu packen sind.

Macht man geistsprühendes, schnelles Kabarett oder tiefer schürfende Geschichtsanalyse mit philosophischem Anspruch? Peter Lackner hat sich da nicht eindeutig entschieden. Auf der holzschnittartig, naiv gehaltenen Bühne (Olga Lunow) widerstehen Heiner Hardt, Jana Kozewa, Rainer Reiners und Stefan Mehren tapfer und geschickt der Versuchung zum schnellen Spaß, verfangen sich aber auch im betulich Grundsätzlichen der mitunter überfrachteten Debatten. Christoph Funke

Wieder vom 13. bis 15. April, 20 Uhr.

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