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Kultur: Austellung mit Werken von Marie-Jo Lafontaine bis 19. September auf der Darmstädter Mathildenhöhe

Schönheit und Schrecken, Kontemplation und Konfusion - für Marie-Jo Lafontaine gehört Eines zum Andern. Die 1950 geborene Belgierin überwältigt den Betrachter mit einem "Kraftwerk der Gefühle", wie es vor einigen Jahren hieß.

Schönheit und Schrecken, Kontemplation und Konfusion - für Marie-Jo Lafontaine gehört Eines zum Andern. Die 1950 geborene Belgierin überwältigt den Betrachter mit einem "Kraftwerk der Gefühle", wie es vor einigen Jahren hieß. Denn der Faszination ihrer suggestiven, stets ambivalenten Bilder, dem Erschreckenden im Schönen und der Schönheit des Schrecklichen, entkommt niemand. Aber auch Kontemplatives kippt bei ihr in eine Konfusion der Gefühle um. Schlagartig bekannt wurde die Künstlerin auf der Kasseler documenta 1987 mit einem Video über Männer als Kraftmaschinen in einem Fitness-Studio. Seither sind ihre raumgreifenden Installationen von Videos, Fotos und Texten gefragt, zumal Lafontaine nur wenig produziert.

1995 erhielt sie den renommierten Darmstädter Kunstpreis, der mit dem Recht auf eine Ausstellung im Institut Mathildenhöhe verbunden ist. Lafontaine setzt nun vor vier neue Installationen die Videoskulptur "Jeder Engel ist schrecklich" (1992), betitelt nach einer Zeile aus Rilkes "Duineser Elegien": In einem stählernen, drei Meter hohen Kegelstumpf läuft auf 15 Monitoren ein apokalyptisches Geschehen zwischen aufloderndem Feuer, Schüssen, Totenklage, einem zerberstenden Globus und der ängstlichen Stimme: "Hört mich jemand?" Der Betrachter ist von diesen Bildern regelrecht eingekreist.

Im zweiten Raum flimmern von 17 schwarzen Stelen die Schwarzweiß-Bilder eines schaukelnden Mädchens, scheinbar eine Idylle. Die raschen Schnitte vom Kopf auf den Körper, von den Füßen zu den Armen schlagen den Betrachter in ihren Bann. Er wird eins mit dem verspielten Schaukeln. So harmlos die kindlichen Bewegungen anfangs auch wirken, bei längerem Hinsehen kündigt sich eine gewisse Erotik an - die Jugend steht vor der Tür.

Dem Schweben folgt der Blick in luftige Höhen. Im "Chill-out-room" steht ein acht Meter großer Rundbau. Blaues Licht sorgt für meditative Stimmung, durch 17 Video-Bullaugen sind Wolken und Blitze zu sehen und hören. Pinkfarbene Plastikliegen laden zum Ausruhen ein. An den Wänden hängen Fotos von Jugendlichen mit leicht eingefärbten Pupillen. "Liquid Crystals", so auch der Titel der Schau, meint das Offene, nicht Ausgeformte der Charaktere - diese jungen Leute haben das Leben noch vor sich. Hier wird Lafontaine fast pathetisch, verteidigt die ästhetische Macht des Körpers und bittet um Beistand für die unverdorbenen Jüngelchen - was allerdings nicht der Realität entspricht. Denn die Fotos zeigen durchaus erfahrene Menschen, wenn man sie mit Gleichaltrigen vor 25 Jahren, als auch Lafontaine jung war, vergleicht.

Im letzten Raum steht ein Passbild-Automat. Für fünf Mark gibt es zwei Fotos, eins zum Mitnehmen, das andere dokumentiert die Besucher. Die Identität zwischen Schönheit und Schrecken, zwischen Meditation und Aktion, zwischen Jugend und Reife kann man so als Erinnerung festhalten. Ein Pendant zum Jugendkult, dem Lafontaine neuerdings nachhängt.Bis 19. September, Katalog 60 Mark.

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