Kultur: Balkaniens Blüte
„Zajedno“: Heute beginnen in Berlin die ersten serbisch-montenegrinischen Kulturtage
„Zajedno“ bedeutet auf Serbisch „gemeinsam“. Übrigens auch auf Bosnisch und auf Kroatisch, doch die Bezeichnung für die dem alten Jugoslawien gemeinsame Sprache Serbokroatisch wurde von offizieller Seite abgeschafft. Das unschuldige Wort „zajedno“ hat dabei immerhin seine Bedeutung behalten. Was bis zuletzt noch Jugoslawien hieß, trägt seit Februar 2003 den Namen SerbienMontenegro. Und auch da ist es mit Gemeinsamkeit nicht weit her, denn Montenegros Eliten wollen gern weg vom Rumpfserbien und möchten auch ein eigenes Land. Gleichwohl, unter dem wunschvollen Signum des „zajedno“ präsentiert sich die nur von wenigen Gemeinsamkeiten getragene Republik Serbien und Montenegro in diesem Spätsommer in Deutschland mit einem Kulturfestival in einem Dutzend Städten, von Stuttgart über Wiesbaden, Essen, Aachen, Hamburg, Jena und Rostock bis Berlin.
Vereinbart worden waren diese Festtage noch zwischen dem Auswärtigen Amt und Belgrad, zwischen Joschka Fischer und Zoran Djindjic, dem im März 2003 ermordeten serbischen Premierminister. Statt seiner wird nun seine Witwe hier sein, heute zur Eröffnung in Berlin, neben dem serbischen Kulturminister Dragan Kojadinovic. Schirmherr ist Bundespräsident Horst Köhler.
Mit einer großen Party und einem Konzert des legendären Boban Markovic Orchesters beginnt am Samstag um 20 Uhr auf der Museumsinsel vor der alten Nationalgalerie das umfangreiche offizielle Programm. Markovic, sozusagen der Louis Armstrong von Balkanien, trompetete auf seiner Tournee unlängst auf dem Weltjugendtag zum Papstbesuch in Köln. Auf der Eröffnungsfete tritt auch Boris Kovac auf, den der britische Guardian als „Meister des apokalyptischen Kabaretts“ bezeichnet, ein Mann, der Serbien die eigene, dort gern gehegte Weltuntergangsstimmung so vorhält, dass Selbstreflexion und Lachen in eins fallen können. Und beides hat das Land so nötig wie Wasser und Brot.
Während die aktuelle Nachkriegsregierung Serbien-Montenegros mit Krisen, Korruption, organisierter Kriminalität und dem Erbe der Kriegsverbrechen zu kämpfen hat, wird das Land mit diesem Festival ein kulturelles Gegenprogramm bieten, das auf ganz wunderbare Weise weit über die Gegenwart hinausweist. Die Künstler befassen sich mit der Vergangenheit rückhaltloser, als die offizielle Elite das will und vermag, und weil die Künstler dadurch im dialektischen Umkehrschluss avantgardistische Brückenköpfe der Zukunft bieten. Zeitgenössische montenegrinische Skulpturen und Malerei (Foyer der Urania in Berlin ab 4. 9.), kompromisslose Karikaturisten, und vor allem eine Filmreihe, die sich sehen lassen kann (Filmtheater in den Hackeschen Höfen in Berlin, ab 9.9.), darunter der brillante, tragikomische Spielfilm „Mali Svet“. In München lässt das Festival einen kritischen Schriftsteller wie Dragan Velikic zu Wort kommen, während der im Berliner Exil lebende Suhrkamp-Autor Bora Cosic leider nicht auf dem Programm landete. Aber immerhin lud „zajedno“ die legendären Radiomacher des Senders B92 ein, die erst kürzlich vom serbischen Minister Velimir Ilic als unpatriotisch und „reif für eine psychiatrische Anstalt“ beschimpft wurden. Mithin beweist das Festival, in Teilen seines Programms, wahre Souveränität und Größe, die Hoffnung weckt auf ein „zajedno“. Wenigstens beim Feiern.
Details zum Programm unter www.zajedno-gemeinsam.de
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