Kultur: Bassist J. J. Burnel im Interview: Ratten im Weltall
Herr Burnel, der Sänger und Songwriter Hugh Cornwall verließ die Stranglers vor zehn Jahren. Sein Nachfolger ging im vergangenen Jahr.
Herr Burnel, der Sänger und Songwriter Hugh Cornwall verließ die Stranglers vor zehn Jahren. Sein Nachfolger ging im vergangenen Jahr. Haben Sie je daran gedacht, etwas anderes zu machen?
Ja, aber dafür ist es jetzt zu spät. Das einzige, was ich außer Musik wirklich tun wollte, ist Karate und Kickboxing.
Sie spielen Bass wie ein Karatekämpfer. Waren Sie der einzige Punk in der Band?
Ich denke ja. Innerhalb der Band habe ich mich als Punk betrachtet. Aber wir waren keine Punkband. Wir wollten gut spielen und Songs schreiben und nicht einfach nur Lärm machen. Jede Generation bringt ihre Sounds hervor, aber Melodien sind für die Ewigkeit. Wir fanden, dass wir härter waren als andere puristische Punkbands. Deren Mitglieder gaben vor, hart und aggressiv zu sein, aber sie waren es nicht. Sie haben sich hinter einem harten Image versteckt.
Der harte, dominante Bass-Sound wurde von zahlreichen New Wave-Bands kopiert. Wer brachte Ihnen bei, so zu spielen?
Niemand. Ich hatte vorher klassische Gitarre gelernt. Ich bin auch kein besonders guter, dafür aber ein origineller Bassist.
Seit Ihrem Debüt-Album "Rattus Norvegicus" haben Sie die Ratte als Wappentier. Woher stammte Ihre Faszination für Ratten?
Es gab zu dieser Zeit das Buch "The Rats". Es ging darum, dass die Rattenpopulation in London enorm anwuchs und gegen Schädlingsbekämpfungsmittel resistent wurde. Das war für uns ein Symbol des Überlebens.
Sie tragen noch heute schwarze Kleider. Wann fingen Sie damit an?
Ende 1977 wurde es Mode unter Punks immer buntere Klamotten zu tragen: Pink, Grün, Gelb, Plastikklamotten, durchsichtige Hosen. Das wurde uns zuviel. Wir fingen an, Schwarz zu tragen. Später hatten wir gar nichts anderes mehr zum Anziehen. Es ist immer noch eine dominierende Farbe. Ich glaube nicht, dass wir allein dafür verantwortlich sind.
Ihr kultureller Einfluss war enorm, obwohl Sie bei Musikkritikern stets auf Ablehnung stießen ...
Revolutionen produzieren eine Orthodoxie, die eine Art neuer Faschismus wird. So wurden wir von den Punks attackiert, weil wir Synthesizer benutzten. Das war damals eine Sünde. Wir weigerten uns, den neuen Orthodoxien zu folgen. Wir wollten beides sein: gewalttätig und intelligent. Ich sah darin keinen Widerspruch, aber alle anderen sahen ihn. Dann wurde uns vorgeworfen, dass wir viele Platten verkauften, was uns viele Feinde gemacht hat. Die besetzen heute Schlüsselpositionen der Musikindustrie.
Sind Sie eifersüchtig auf die Sex Pistols und die Ramones, die allgemein als die wichtigsten frühen Punkbands betrachtet werden?
Nein. Die Ramones waren ein großer Spaß, aber sie hatten meiner Ansicht nach nicht viel zu sagen. Und die Sex Pistols waren im Wesentlichen eine "Boy Group" mit Gitarren. Sie wurden zusammengestellt. Im Februar oder März 1976 besuchte Chrissie Hynde von den Pretenders unsere Show. Sie wollte danach unsere Sängerin werden.
Aber die Punk-Familie hat Sie verstoßen?
Es gab da Eifersüchteleien, weil wir im Sommer 1976 bei einem Konzert mit britischen und amerikanischen Punkgruppen als einzige Londoner Band dabei waren. Hinterher gab es auf dem Parkplatz vor dem Club eine Schlägerei. Auf der einen Seite standen die Stranglers und einige Fans, auf der anderen Seite Johnny Lydon, Paul Cook, Dee Dee Ramone, Chrissie Hynde, außerdem die Clash und einige ihrer Freunde. Die Presse meinte, sich für eine Seite entscheiden zu müssen. Was sie auch tat. Gegen uns.
Vielleicht mochte die Presse Bands wie The Clash oder The Jam, weil sie politisch engagiert waren?
The Clash sind eine großartige Band, aber ich glaube nicht, dass sie selbst einen politischen Gedanken fassten. Ihre Überzeugungen wurden von Managern wie Bernie Rhodes und Malcolm McLaren entwickelt. Als ich die Clash hinter den Barrikaden in Belfast sah, war ich stinksauer. Das war billig.
The Stranglers galten nicht nur als unpolitisch, sondern auch als sexistisch ...
Ja, ein großes Missverständnis, weil "Sometimes" und "Peaches" von Gewalt gegen Frauen und von Spannern handeln. Es waren nur zwei Songs, die etwas beschreiben wollten, aber die britische Presse entschied, dass es sich um unsere Philosophie handeln müsse. Schon damals gab es den Druck einer political correctness. Das Independent-Label Rough Trade belegte uns damals mit einem Bann. In Amerika und Australien protestierten Feministinnen vor den Konzerthallen.
Euer "Men In Black"-Album von 1981 über Außerirdische auf der Erde war ein Fehlschlag. 16 Jahre später hatte Will Smith damit einen Riesenerfolg.
Der Film und die Hitsingle haben ein ernsthaftes Thema wie einen Witz behandelt. Es geht um Religion, um die Existenz Gottes, die Existenz anderer Lebewesen außerhalb der Erde. Die Tatsache, dass wir nur ein Planet eines Sonnensystems unter Millionen von Sonnensystemen sind. Stephen Hawking hat bewiesen, dass es außer den für uns wahrnehmbaren Dimensionen noch eine ganze Reihe anderer gibt.
Die "Men in Black" erinnern weniger an Stephan Hawking als an Erich von Däniken.
Ja, natürlich. Wir glaubten, dass die Annahme außerterrestrischer Lebensformen ein gutes Konzept für ein Album wäre. Und auch eine gute Erklärung für die Welt.
Herr Burnel[der Sänger], Songwriter Hugh C