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Virtuose. Pianist Jan Lisiecki beeindruckt mit der Reife seiner Interpretationen.

©  Holger Hage

Jan Lisiecki im Konzerthaus: Beethoven, aber natürlich

Der junge Pianist Jan Lisiecki gibt im Konzerthaus eine funkelnde Aufführung.

Juchzer mischen sich in den prasselnden Applaus, nachdem Jan Lisiecki am Sonntag im Konzerthaus Beethovens 1. Klavierkonzert gespielt hat. Die freudige Erregung vieler Zuhörer ist förmlich mit Händen zu greifen. Eigentlich hätte Murray Perahia zusammen mit der Academy of St Martin in the Fields in Berlin einen Zyklus mit allen Beethoven-Konzerten gestalten sollen. So war es angekündigt. Doch dann musste der 71-jährige amerikanische Pianist krankheitsbedingt absagen. Also sprang der fast ein halbes Jahrhundert jüngere Lisiecki ein – und haut nun all jene, die sich auf Perahias altersweise Deutung eingestellt hatten, schlichtweg um.

Jan Lisiecki ist längst kein Geheimtipp mehr, schon mit 15 hat die Deutsche Grammophon den 1995 als Sohn polnischer Eltern in Kanada geborenen Künstler unter Vertrag genommen. Doch wer ihn zum ersten Mal erlebt, will kaum glauben, wie souverän, wie klug und reif die Interpretationen dieses jungen Mannes sind. Lisiecki ist keiner dieser Schreibmaschinen-Virtuosen, die mit ihren Tastenanschlägen pro Minute beeindrucken, wie Lang Lang oder Yuja Wang. Seine Konzerte sind aber auch keine Egotrips, anders als die Exzentriker Igor Levit und Daniil Trifonov transzendiert er den Notentext nie ins Subjektive. Im Gegenteil, er strebt danach, die Intention des Komponisten so klar wie möglich zutage treten zu lassen. Beethovens Klavierkonzerte spielt er folgerichtig ganz im Geist des verehrten Wolfgang Amadeus Mozart.

Sinneinheiten von bezwingender Logik

Mit der Academy of St Martin in the Fields, die ähnliche Ziele verfolgt, entsteht am Sonntag im 1. wie auch im 3. Beethoven-Konzert eine angenehm kooperative Kommunikation. Mitdenkend, nachvollziehend lauscht der Pianist den sinfonischen Einleitungen und ist auch im weiteren Verlauf mit dem Ohr immer nah bei seinen Mitspielern.

Obwohl Pianisten ja – anders als Sänger oder Bläser – nicht darauf angewiesen sind, mit der Musik zu atmen, tut Jan Lisiecki genau das. Er phrasiert sehr organisch, sehr natürlich und formt dadurch Sinneinheiten von bezwingender Logik. Und wo Beethoven in den beiden Konzerten von den kompositorischen Konventionen seiner Zeit abweicht, vermag Jan Lisiecki auch das für den Hörer nachvollziehbar zu machen. So entsteht eine funkelnde Aufführung, die erfrischend spontan wirkt – und doch gedanklich vollkommen durchgeformt ist.

Am heutigen Dienstag sowie am Donnerstag sind Jan Lisiecki und die Academy of St Martin in the Fields erneut am Gendarmenmarkt zu erleben, dann mit den weiteren Beethoven-Konzerten – unbedingt hingehen!

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