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Daniel Barenboim in der Berliner Staatsoper

© Christian Mang

Berliner Staatsoper: Auch so kann Debussy klingen

Antikenbegeisterung und frühchristliche Mystik: Daniel Barenboim dirigiert bei den Festtagen der Staatsoper Claude Debussys "Le Martyre de Saint Sébastien".

Zwei Raritäten hat Daniel Barenboim ausgewählt, um den vor 100 Jahren verstorbenen Komponisten Claude Debussy zu ehren. Die Festtage der Staatsoper sind dabei ein angemessener Rahmen für das Gedenkkonzert, verlangt doch Debussys 1911 entstandene Partitur zu Gabriele d’Annunzios Mysterienspiel „Le Martyre de Saint Sébastien“ einen außergewöhnlichen Aufwand: 200 Mitwirkende – Staatskapelle wie Staatsopernchor in maximaler Besetzung – füllen die Bühne der Philharmonie. Fünf Stunden dauerte das Elaborat des italienischen Dekadenzdichters bei der Pariser Uraufführung – und verschwand nach nur fünf Abenden vom Spielplan. Debussys Musik konnte in einer Fassung gerettet werden, bei der eine Erzählerin die Rolle des Heiligen Sebastian übernimmt und in kurzen, teils melodramatisch gesprochenen Einwürfen die Handlung vorantreibt. Barenboim hat dafür Maria Furtwängler verpflichtet, die – Chapeau! – nicht nur ein makelloses Französisch spricht, sondern auch mit einer Klarheit rezitiert, die sich angenehm vom hohen Ton unterscheidet, den Muttersprachlerinnen gerne für das Werk wählen, wie etwa Sophie Marceau 2007 bei einer Aufführung der Philharmoniker unter Simon Rattle.

Napoleonhafte Selbstsicherheit

Barenboim koordiniert am Gründonnerstag die vokalen und instrumentalen Massen mit derselben napoleonhaften Selbstsicherheit, die er auch bei den Mammutsinfonien von Anton Bruckner und Gustav Mahler an den Tag legt. So zwingt er ein heterogenes Opus zusammen, das so gar nicht nach dem feinnervigen Klangfarbenmaler Debussy klingt. Die Glitzergischt von „La mer“ ist weit, im „Martyre de Saint Sébastien“ mischen sich auf verwirrende Weise Antikenbegeisterung und frühchristliche Mystik, archaische Kargheit steht neben Grand-Opéra-Pomp, auf konventionelle Musiktheatereffekte folgen Passagen von weltentrückter Zukunftsmusik.

Als 27-Jähriger schrieb Debussy seine „Fantaisie pour Piano et Orchestre“, 1889. Der Solopart ist undankbar, weil er höchste technische Ansprüche stellt, doch über weite Strecken vom sinfonischen Geschehen verschluckt wird. Martha Argerich fügt sich zunächst in die Rolle der prima inter pares, schwimmt mit im Orchesterfluss, weiß im zweiten Satz dann doch mit scharf konturierten Einwürfen Akzente zu setzen. Als Zugabe und Werbung für ihr Duo-Recital am heutigen Samstag um 16 Uhr spielen Argerich und Barenboim schließlich „Pour l'Egyptienne“ aus Debussys „Six épigraphes antiques“, eine Miniatur, die zugleich jahrtausendealt und avantgardistisch wirkt.

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