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Alfonso de Vilallonga komponierte die Musik für "Blancanieves", welcher vor einem halben Jahrzehnt zusammen mit "The Artist" zur Wiederentdeckung tonloser Filmkunst beitrug

© Promo

"Blancanieves" im RSB-Filmkonzert: Schneewittchen in Schwarzweiß

Das Konzerthaus zeigt Pablo Bergers zeitgenössischen Stummfilm. Alfonso de Villalongas Komposition haucht den Bildern andalusisches Fatum ein.

Gerechtigkeit dauert selbst in der Kunst mitunter etwas länger. Was konnte der spanische Regisseur Pablo Berger schon dafür, dass er inmitten der jahrelangen Vorbereitungen für seinen Stummfilm „Blancanieves“ plötzlich überholt wurde und die Wiederentdeckung des Genres für die Kinogänger von heute auf das Konto von „The Artist“ gebucht wurde.

Die Begegnung mit Bergers Flamenco-Stierkampf-Lesart von „Schneewittchen“ aus der Feder der Hermanos Grimm im Konzerthaus hätte eindrucksvoller kaum sein können. Na gut, die Stierkampfarena von Sevilla wäre auch ein feiner Ort für diesen Kinoabend mit vollem Orchester. Dort, wo die Oper „Carmen“ blutig endet, beginnt das Drama von „Blancanieves“. Mit dem Strom der Menschen, die hypnotisch angezogen werden von dem magischen Rund, in dem sich Rituale vollziehen, die so schön wie unausweichlich wirken.

Unterstützung kommt von der Flamenco-Truppe

Jede Einstellung atmet andalusisches Fatum, und an der Musik von Alfonso de Vilallonga liegt es, dass man seinen Hauch über 104 Minuten beständig spürt. Der Komponist spielt selbst Klavier und Akkordeon an diesem Abend, eine Flamenco-Truppe verstärkt das Rundfunk-Sinfonieorchester unter Leitung des Filmmusikspezialisten Frank Strobel. Das ist mehr als purer Luxus, das ist vibrierendes Musiktheater vom Titel bis zum Abspann. Denn Vilallongas Filmkomposition muss keine emotionalen Lücken füllen, sie kann von der Komposition der Bilder gar nicht getrennt werden. Sie bewahrt das Gedächtnis auch dort, wo Blancanieves nach einem Mordversuch alles vergisst: den berühmten, gelähmten Torero-Vater, die in den Tod getanzte Flamenco-Großmutter und Hahn Pepe, den von der lüstern-bösen Stiefmutter geschlachteten treuen Begleiter.

Bergers Filmmärchen in Schwarz-Weiß lebt von emotionaler Daueranspannung, stumpft daran aber niemals ab. Denn Komponist Vilallonga weiß, welcher Stier am schwersten zu bestehen ist, und setzt seine Orchesterhörner auf die Stiefmutter an. Mit platzenden Luftballons machen die Musikerinnen und Musiker ein Leinwandfeuerwerk hörbar und klatschen klassische Palmas. Wunderbar. Apropos Gerechtigkeit: Als Nächstes nehmen sich Strobel und das RSB am 27. Januar 2018 „The Artist“ vor.

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