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Kultur: Chansonduo Malediva: Die Poesie des Altenheims

Wieder Lo und Tetta, sitzend. Auf unbequemen Barhockern, wie wartend - auf einander, auf das Leben der anderen oder das nächste Lied.

Wieder Lo und Tetta, sitzend. Auf unbequemen Barhockern, wie wartend - auf einander, auf das Leben der anderen oder das nächste Lied. Malediva sind Sitzsänger: Wer sitzt, schreit nicht, kämpft nicht, sondern findet sich und seinen Halt immer wieder an der Sittsamkeit der Konvention - als visuelles Eingeständnis, dass man selber auch in dem gefangen ist, was man fortwährend sarkastisch aufs Korn nimmt. Die Welt des Duos ist der graue Alltag der Vorgartenbürgerlichkeit durch ein Kaleidoskop betrachtet: Surrealistsich verzerrt und in die Buntfarben einer wundersamen Poesie getaucht. Diese Grundposition ist bei ihrem neuen Programm "Schaulaufen" noch ganz die gleiche wie beim alten, mit dem die beiden im letzten Jahr quasi über Nacht zu den shooting stars der deutschen Chansonszene wurden. Geblieben ist die Kulisse des Spiegelzelts der Bar jeder Vernunft, geblieben ist ihr stoischer Pianist Florian Ludewig, und geblieben sind auch die beiden, zwischen clownsesk und androgyn changierenden Gestalten, die Malediva ausmachen: Der buttergelb blondierte Tetta, der mit feminin übereinandergeschlagenen Beinen distanzierte Chefsekretärinnen-Dignität verbreitet, und der joviale Glatzkopf Lo, dem man den Rohputz seines Ruhrpottkneipenakzents beinahe glauben möchte.

Überschminkte Kunstwesen, die doch wie von selbst in allzu vertraute Rollenspiele hineingleiten: Vorzugsweise in das Geplänkel hundertfach abgestufter Nadelstiche, mit denen sich langjährige Beziehungen aneinander für den Zwang des Zusammengehörens rächen. Es sind vor allem die ausgedehnten Dialoge, in denen einer die Schwächen des anderen erbarmungslos hervorzieht - als beiläufig böse Version eines "Wer hat Angst vor Virginia Woolf", in der schwule wie heterosexuelle Trennstrichehen genauso gespiegelt werden wie die elterlichen Beziehungen, die die jungen Malediven in ihrer hessischen Provinz augenscheinlich von Kind an hellwach mitgehört haben. Ohnehin scheint die Bühnenpose der großäugig stummsitzenden Betrachter nur die Kunstform ihrer Lebensperspektive zu sein. Als ob die Figuren Lo und Tetta wie Bauchrednerpuppen von dem erzählen können, wofür ihren Besitzern die Worte fehlen: In "Koma Oma" vom grotesken Dahinsiechen im Altenheim, das sie als Zivis miterlebt haben, in "Nicht mehr so lustig wie früher" vom hilflos wahrgenommenen Entfremdungsprozess in der Beziehung. Themen, die bei den Malediven freilich durch eine im Grunde optimistische Brechung ins Witzige, Absurde vor dem Absturz in die Trübseligkeit bewahrt werden. Denn anders als bei den meisten großen Alten der Chansonszene besitzt der Blick der beiden auf das Leben der Anderen noch die Frische des Sich-Wunderns und zugleich Verstehens - Unter der scharfgeschliffen Textoberfläche schimmert immer die idealistische Forderung mit, dass es im Leben eigentlich anders zugehen müsste - und kann. Und das macht vielleicht das eigentliche Glück des Abends aus.

Noch bis zum 11.2.[täglich außer monta]

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