
© imago/Robert Harding
Checkpoint Charlie: Wie soll er aussehen?
Schauplatz des Kalten Kriegs und der Wende: Bis der Checkpoint Charlie zum angemessenen Erinnerungsort umgestaltet ist, dauert es noch. Gut, dass Berlin sich Zeit dafür nimmt.

Stand:
Erinnerung, sprich. Gern, aber welche? Jeder erinnert sich anders, und je mehr ein Ereignis die Weltgeschichte verändert, desto mehr Geschichten ranken sich drumherum. Die Folge: Mythen in Tüten, hinter denen die Historie verblasst. Vielleicht tut sich Berlin auch deshalb mit dem schönsten Nachkriegsereignis so schwer, dem Fall der Mauer.
Da ist zum einen die ewig verzögerte Fertigstellung des Einheitsdenkmals am Schloßplatz, die „Wippe“ wird wohl auch dieses Jahr nicht fertig. Noch ein Tag der Deutschen Einheit ohne Denkmalübergabe, man hat sich fast dran gewöhnt.
Zum anderen ist da der Checkpoint Charlie, neben dem Brandenburger Tor und der Bornholmer Brücke ein Hauptschauplatz des 9. November. Längst hat er es in Bond-Filme und auch in neuere Romane geschafft, wobei die Aura des authentischen Orts im krassen Gegensatz zu seiner gegenwärtigen Verfasstheit steht. Touristen-Hotspot, Dauerprovisorium zwischen Fotowänden und Souvenir-Nepp, Zankapfel zwischen Bezirk, Land und Investoren: Der Senat versucht schon länger, Ordnung in den Wildwuchs zu bringen.
Auf das im Januar abgeschlossene städtebauliche Dialogverfahren folgt nun der sogenannte kulturfachliche Dialog, bis Ende Oktober. Zu den im ersten Verfahren erarbeiteten Leitlinien zählt unter anderem die Maßgabe eines verkehrsberuhigten, besonderes gestalteten (Außen-)Stadtraums.
Erhalten bleiben soll in jedem Fall die denkmalgeschützte Brandmauer; die angrenzenden Neubauten sollen im Sockelbereich über elf Meter „erinnerungskulturell“ bespielt werden können. Darüber darf sich an den Fassaden keine „private Alltagsnutzung“ niederschlagen. Soll heißen, bloß kein „Ilse, I love you“ am Fenster, erst recht keine Regenbogenfahne und Free-Ukraine-Banner auf dem Balkon? Bitte Abstand halten zur Friedlichen Revolution, aus Respekt?
Unter checkpointcharlie.mitdenken.online kann sich nun jeder mit Ideen für den CPC von morgen beteiligen, Berliner:innen wie Tourist:innen. Aber ist das Einsammeln schriftlicher Kommentare tatsächlich „Partizipation“?
Besser wären klug moderierte Debatten, gerne vor Ort. Über die Optionen von interaktiven Unterhaltungsformaten bis zur musealen Gedenkstätte, über das Zusammenspiel von öffentlicher Hand und Investoren, über den Kalten Krieg und die heißen Kriege von heute.
Gut, dass die Stadtgesellschaft sich Zeit nimmt, für Wettbewerbe, Selbstverständigung, offene Verfahren. Denn diese Geschichte ist noch lange nicht zu Geschichte geronnen.
Und „lebendige“ Erinnerung, das sagt sich so leicht. Die „Einheitswippe“ verzögert sich auch deshalb erneut, weil sie eben wippt. Bewegliche Maschine oder statisches Bauwerk? Die Behörden sind sich nicht einig, die Folge: Genehmigungsstau.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: