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Kultur: Claudio Abbado: Kalter Frieden

Wer hätte das von Claudio Abbado, dem Sanften, Guten, Schönen gedacht? Der scheue Dirigent, dem auf Pressekonferenzen kaum ein Halbsatz über die Lippen kommt, der sich am liebsten in Partituren vergräbt und bei den Proben - wenn irgend möglich - ganz leise allein mit den vorderen Musikerpulten verhandelt, er hat dafür gesorgt, dass diese Berliner Konzertsaison mit einem Paukenschlag beginnt.

Wer hätte das von Claudio Abbado, dem Sanften, Guten, Schönen gedacht? Der scheue Dirigent, dem auf Pressekonferenzen kaum ein Halbsatz über die Lippen kommt, der sich am liebsten in Partituren vergräbt und bei den Proben - wenn irgend möglich - ganz leise allein mit den vorderen Musikerpulten verhandelt, er hat dafür gesorgt, dass diese Berliner Konzertsaison mit einem Paukenschlag beginnt. Elmar Weingarten, der Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters wird seinen Posten zum Freitag räumen. Er hatte keine andere Wahl. Denn Claudio Abbado, der Chefdirigent des Orchesters, möchte ihn dort nicht mehr antreffen, wenn er am Sonnabend mit den Proben zum Festkonzert für den Tag der Deutschen Einheit beginnt. Claudio Abbado hat einen Mann aus seinem Job gemobbt, der zu den renommiertesten deutschen Kulturmanagern gehört und der gemeinsam mit Nike Wagner für die Leitung der Bayreuther Festspiele im Gespräch ist. Und Elmar Weingarten? Kein Kommentar. Den liefert die offizielle Mitteilung des vor dem Scherbenhaufen stehenden Kultursenators: Der Rücktritt sei "aus Verantwortung um den Frieden im Orchester" erfolgt.

Dass das Orchester und Weingarten zu oft verschiedener Meinung waren - zuletzt beim Expo-Konzert mit den Scorpions - wurde deutlich, als der Intendant im vergangenen Jahr seinen vorzeitigen Rückzug zum Sommer 2001 ankündigte. Er fühle keinen ausreichenden Rückhalt mehr unter den Musikern, hatte der ernsthafte, immer auch kulturpolitisch engagierte Kunstermöglicher damals zu Protokoll gegeben. Was dagegen zu dem tiefen, letztlich unüberbrückbaren Zerwürfnis mit dem Chefdirigenten seines Orchesters geführte, darüber kann nur spekuliert werden. Differenzen in künstlerischen Fragen lassen sich kaum denken, tat doch Weingarten alles, um Abbados mit schmucken Motti versehenen Jahresprojekte jede Saison neu im Sinne des mikrofonphoben Maestros in der Öffentlichkeit zu verkaufen. Stecken also private Animositäten, gar skandalträchtige Verwicklungen. . ? Nein, wir wollen es nicht wissen und wenden uns betreten ab. Elmar Weingarten aber seien zum Trost jene Verse mit auf den Weg gegeben, die ein gewisser Dichter namens Emil Claar einst unter dem Titel "Intendantenhoffnung" veröffentlichte

"Jenseits ist ein Land der Wonnen

Dort, wo Gott die Menschen liebt

Wo es keine Primadonnen

keine Dirigenten gibt."

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