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Traurige Realität: Eine Seite aus "Das Schweigen unserer Freunde".

© Egmont

Comics über Rassismus in den USA: Der lange Marsch

Zwei Comic-Erzählungen beschäftigen sich mit dem Thema Rassismus in den USA - erzählerisch und zeichnerisch können sie jedoch nur bedingt überzeugen.

Natürlich war es vor allem Marketing, dass diese beiden Bände zur afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung im vergangenen Jahr und damit genau 50 Jahre nach Martin Luther Kings „I have a dream“-Rede erschienen sind. Relevant sind sie trotzdem nicht nur für historisch interessierte Leser, denn auch in der Obama-Ära ist Rassismus in den USA traurige Realität und die erhoffte „post-racial society“ lässt auf sich warten.

An „das Schweigen unserer Freunde“ erinnere man sich stärker als an die Worte der Feinde, so hatte es Martin Luther King in seinem heute pathetisch anmutenden Stil ausgedrückt. Umgekehrt können Veränderungen erreicht werden, wenn dieses Schweigen überwunden wird. Im gleichnamigen Band, der auf Deutsch bei Egmont erschienen ist, wird eine zum Teil fiktionalisierte Geschichte aus Mark Longs Kindheit erzählt, angesiedelt kurz vor Kings Ermordung 1968.

Gewalttätige Auseinandersetzungen rund um eine Bürgerrechtsdemonstration in Houston, Texas, lassen zwei Familien die „Rassen“-Schranken überwinden. Der Zeichner Nate Powell, in Deutschland bisher kaum bekannt (sein „Swallow me whole“ von 2008 wurde mit einem Ignatz und einem Eisner Award ausgezeichnet), schafft mit einfachen, aber stimmungsvollen und dynamischen Schwarz-weiß-Bildern eine düstere Grundatmosphäre, allerdings wirken die Protagonisten teilweise recht hölzern.

Der Fokus liegt auf den Vätern der Familien, dem weißen TV-Reporter Jack und dem schwarzen Aktivisten Larry, während die individuelle Ebene der Auseinandersetzungen zwischen anderen, insbesondere den Kindern, zum Teil nur angedeutet wird. Zu kurz kommt auch die ökonomische Dimension des Konflikts, denn zum Zeitpunkt der Ermordung von MLK ging es längst nicht mehr allein um Bürgerrechte, sondern auch um die soziale Benachteiligung der schwarzen Amerikaner.

Nate Powell ist auch der Zeichner von „March“, der Comic-Version der Erinnerungen von John Lewis, seit 1987 als Abgeordneter der Demokratischen Partei für Atlanta, Georgia, im US-Repräsentantenhaus und von 1963 bis 1966 Vorsitzender des SNCC – gesprochen Snick. Das Student Nonviolent Coordinating Committee war Teil des Rückgrats der Bürgerrechtsbewegung und der in ärmlichen Verhältnissen in Alabama geborene John Lewis war und ist eine faszinierende und inspirierende Persönlichkeit, nur reicht dies allein noch nicht für einen gelungenen Comic.

Der Konstruktionsfehler des Bandes, ein nur dünn verschleierter Endlosmonolog,  war möglicherweise in einer Autobiografie einer lebenden historischen Persönlichkeit nicht zu vermeiden, aber die zwischen der Szenerie des Tags von Barack Obamas erster Amtseinführung und Flashbacks verschachtelte Narration erzeugt weder Dynamik noch Spannung. Die nach dem Motto „was bin ich doch für ein doller Hecht“ aneinandergereihten Anekdoten passen so gar nicht zu dem Eindruck, den man von John Lewis bei der Lektüre seiner Autobiographie „Walking with the Wind“ gewinnen konnte.

Fiktionalisierte Geschichte: Das Cover von "Das Schweigen unserer Freunde".
Fiktionalisierte Geschichte: Das Cover von "Das Schweigen unserer Freunde".

© Egmont

Durch die erzählerischen Schwächen treten leider auch die Grenzen von Nate Powells Zeichenkunst stärker hervor, die hölzerne Eindimensionalität der Figuren und die Gleichförmigkeit der Gestaltung. Einmal musste ich zweimal hinschauen, um den offenen Sarg zu identifizieren – ich hatte ihn zuerst für einen BBQ-Grill gehalten.

Mark Long, Jim Demonakos, Nate Powell: Das Schweigen unserer Freunde, Egmont, 208 Seiten, 14,99 Euro, Leseprobe hier.

Congressman John Lewis, Andrew Aydin, and Nate Powell: March (Book One), Top Shelf, ein zweiter Band ist in Arbeit, mehr dazu hier.

Unser Autor Dr. Thomas Greven ist Senior Research Fellow am Institut für Internationale Politik, Berlin, und Privatdozent am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin

Thomas Greven

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