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Klare Linie: Eine Seite aus „Benkei in New York“.

© Schreiber & Leser

Comic-Thriller „Benkei in New York“: Der malende Racheengel

Gut drei Jahre nach dem Tod Jiro Taniguchis erscheint mit der hochstilisierten Gangsterballade „Benkei in New York“ ein weiteres Werk des Mangaka auf Deutsch.

Stand:

Auf den ersten Blick wirkt er wie ein sanftmütiger Riese. Aber hinter Mantel, Hut und fast kindlichen Gesichtszügen verbirgt Benkei ein doppeltes Geheimnis. In New York ist der Exiljapaner nicht nur als Kunstfälscher gefragt, sondern auch als Auftragsmörder unterwegs. Beide Tätigkeiten erledigt er raffiniert, tadellos und nach eigenen, strengen Moralvorstellungen.

„Benkei in New York“ (Schreiber&Leser, 224 S., € 16,95) ist ein weiterer Manga aus dem thematisch vielseitigen Werk Jiro Taniguchis (1947 - 2017), der die deutschsprachige Leserschaft spät erreicht.

Eine weitere Seite aus „Benkei in New York“.

© Schreiber & Leser

Im Original erschien die Serie zwischen 1991 und 1996. In sieben lose zusammenhängenden Kapiteln führen Zeichner Taniguchi und Szenarist Jinpachi Mori durch die Welt ihres künstlerisch begabten Killers und erschaffen eine Mischung aus Film Noir, Mafia-Epos und Samurai-Manga.

Die Qualitäten, für die Taniguchi geschätzt wird, finden sich auch hier: feinen Striche, äußerst detaillierte, realistische Hintergründe und ein klarer Seitenaufbau. Benkeis New York – das alte, gefährliche Manhattan – wirkt greifbar nahe, düster, ein wenig heruntergekommen, und doch stets elegant. So wie auch der Held seine Coolness bewahrt, wenn er mal wieder tötet oder über Nacht ein gestohlenes Meisterwerk kopiert.

Er tötet mit Fleischerhaken, Leinwand oder Schwertfisch

Benkei ist eine rätselhafte Figur, über deren Umstände und Motivation man nach und nach mehr erfährt, ohne dass man sie je durchschauen könnte. Psychologie ist letztlich aber auch nicht der Schwerpunkt von Taniguchi und Mori, Reflexionen über Gerechtigkeit, Gewalt und Verbrechen schon gar nicht. Ausgefallene und maßgeschneiderte Racheakte, effektvoll inszeniert, machen den Kern des Mangas aus.

[Vor einigen Jahren traf der Tagesspiegel Jiro Taniguchi in Tokio zum Interview. Hier gibt es das Gespräch zum Nachlesen.]

Ein Höhepunkt ist ein Zweikampf, der im Central Park beginnt und im Museum für Naturkunde mit Exponaten als Waffen fortgesetzt wird—ohne viel Worte, dafür mit einer Bildersprache, die an Akira Kurosawa erinnert.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Schreiber & Leser

Andernorts greift Benkei zu Fleischerhaken, Leinwand oder Schwertfisch, immer darauf bedacht, das passende Instrument für sein Opfer zu finden und, sollte dessen Schuld nach seinem Ermessen nicht eindeutig erwiesen sein, die Operation abzubrechen.

Dass die spektakulären Aktionen und Wendungen sich um Plausibilität oft wenig scheren, muss man hinnehmen. Dass Nebenfiguren wie ein Mafiaboss, der sich als Kunstliebhaber entpuppt, oder eine Stripperin, die einfach nicht von Benkei lassen kann, Genreklischees verhaftet bleiben, ebenso. Als hochstilisierte Gangsterballade ist „Benkei in New York“ ein Produkt seiner Zeit. Aufgrund von Taniguchis Bildern und des souverän gehandhabten Erzähltempos lohnt es sich aber.

Jeff Thoss

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