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Sein Element: Eines der spektakuläreren Meerbilder Lepages aus „Reise zum Kerguelen-Archipel“.

© Splitter

Reisetagebuch: Der mittelalte Mann und das Meer

Der Franzose Emmanuel Lepage bereiste auf einem französischen Versorgungsschiff das Polarmeer. Mitgebracht hat er ein wunderschönes Logbuch, eine gemalte Hymne ans Fernweh.

Die Sehnsucht war schuld. Die Hände in den Taschen seiner Jacke, den Wind im Gesicht, stand der bretonische Zeichner Emmanuel Lepage eines Tages am Strand und starrte aufs Wasser. Jenes vertraute und doch unbekannte Element, das er jeden Morgen seines Lebens gesehen, aber noch nie befahren hatte.

Also packte er, als sich im März 2010 die Gelegenheit bot, seinen Zeichenblock und ging an Bord eines französischen Versorgungsschiffs für einige Wochen auf eine Reise zum Kerguelen-Archipel: tief in die unendliche Einsamkeit der arktischen See, irgendwo zwischen Madagaskar und dem Südpol. In jenes „Land am Ende der Welt“, wie er es als Kind über Karten träumend oder „Tim und Struppi“ lesend genannt hatte.

Mit im Gepäck: die Hoffnung und die Liebe zum Meer. „Ich würde es fühlen können“, schreibt er, „es spüren, es leben, wie jene Maler, die mich inspirierten: Marin-Marie, Jobert, Brenet, es vielleicht endlich verstehen.“

Alle Mann an Bord: Eine Seite aus dem Buch.
Alle Mann an Bord: Eine Seite aus dem Buch.

© Splitter

Das Buch, das bei dieser Reise entstanden ist und nun in deutscher Übersetzung veröffentlicht wurde, ist weniger eine durcherzählte Geschichte als eine Mischung aus Tagebuch und Skizzensammlung: ein dicker Band voller Gedanken und wunderschöner Bleistift- und Aquarellbilder von Schiffen, Menschen, Felsen und Wasser. Eine Annäherung an den Menschen und das Meer.

Und auch wenn dem Quasi-Logbuch eine ausgefeilte Dramaturgie fehlt, entfalten die Schilderungen von Seekrankheit, der Routine an Bord und in den Forschungsstationen, von neuen Bekanntschaften und dem fern jeder Zivilisation wie von selbst entstehenden Gefühl einer verschworenen Gemeinschaft doch schnell einen Sog. Einen Sog, der mit seinem melancholischen Ton mal an die Abenteuergeschichten von Hugo Pratts Kapitän „Corto Maltese“, mal in seinem unprätentiösen Realismus an moderne Magazinreportagen erinnert. Ein schönes, ein ruhiges, unaufgeregtes Buch und eine Hymne ans Fernweh, die nicht nur „Mare“-Abonnenten glücklich machen dürfte.

Zwischen Madagaskar und dem Südpol: Das Covermotiv.
Zwischen Madagaskar und dem Südpol: Das Covermotiv.

© Splitter

Emmanuel Lepage: „Reise zum Kerguelen-Archipel“, Splitter, 160 Seiten, 29,80 Euro. Leseprobe auf der Website des Verlages.

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