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Schein und Sein: Eine Seite aus „Falsche Fährten“.

© avant

Comic-Satire „Falsche Fährten“: Eine Legende geht in Rente

30 Kritikerinnen und Kritikern haben wieder die besten Comics des Quartals gewählt. Unter den Favoriten ist auch die Gesellschaftssatire „Falsche Fährten“.

Von Martin Jurgeit

Der Comic „Falsche Fährten“ (Übersetzung von Lilian Pithan, avant, 80 S., 22 €) macht seinem Titel alle Ehre: Er ist ein Western, der sich nur als Wild-West-Show entpuppt. Mit einem legendären Marshal, der nicht einem Duell zum Opfer fällt, sondern dessen Darsteller Frank Paterson Jr. alias Jake „Wild Faith“ Johnson einfach in Rente geschickt wird. In einem Touri-Bus will er jetzt den „echten“ Westen entdecken, in dem aus Indianern längst Natives geworden sind.

Das TItelbild von „Falsche Fährten“.
Das TItelbild von „Falsche Fährten“.

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Die sich daraus entwickelnde Gesellschaftssatire über die vielen Widersprüche Amerikas ist jetzt von einer Jury aus 30 Comic-Kritikerinnen und Kritikern auf Platz 4 ihrer vierteljährlich erstellten Bestenliste gewählt worden.

Das Album stammt von Bruno Duhamel, der „Falsche Fährten“ am 10. September auch beim Internationalen Literaturfestival Berlin vorstellen wird. Es ist kein Zufall, dass der Autor aus Frankreich kommt, denn in keinem anderen Land der Welt ist der Western-Comic so populär wie dort. Serien wie „Blueberry“ oder „Comanche“ stehen ausdrücklich in der Traditionslinie von Hollywoods großen Edelwestern.

Da versucht sich Duhamel – noch dazu als Western-Novize – jetzt gewissermaßen als Nestbeschmutzer, der quasi jede sorgsam gepflegte Legende aus dem Wilden Westen auf ein paar Dutzend Seiten zerpflückt, seiner tragischen Hauptfigur am Ende der Geschichte aber einen Spin zugesteht, sodass sich Frank doch noch heldenhaft beweisen kann.

Die weiteren Top-Titel der Kritikerjury:

Émile Bravos „Spirou oder: die Hoffnung 4“ mit dem Finale der Saga um die Jugendjahre des großen franko-belgischen Helden,
der erste Band von Luz’ Literaturadaption „Vernon Subutex“ nach Virginie Despentes,
Andi Watsons kafkaeske Graphic Novel „Die Lesereise“,
André Breinbauers Wende-Comic-Adaption des antiken Sagenstoffs „Medusa und Perseus“,
der argentinische (Anti-)Kriegs-Comic „Ernie Pike“ der großen Comic-Meister Héctor Germán Oesterheld und Hugo Pratt,
der Startband der Gesamtausgabe des poetischen Semi-Funnys „Jonas Valentin“ von Bom und Frank Pé,
die unkonventionelle Superhelden-Interpretation „Catwoman: Lonely City“ 1 von Cliff Chiang,
der Doku-Comic „Aber ich lebe“, in dem Barbara Yelin, Miriam Libicki und Gilad Seliktar die Geschichten von vier Holocaust-Überlebenden vermitteln,
sowie die klassische „Thor Collection“ von Walt Simonson.

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