
© Dumont
Heldengeschichten als wortloser Comic: Das Schweigen der Männer
Von Ali Baba bis Robin Hood: Der Berliner Zeichner Frank Flöthmann reduziert Helden-Epen auf ihre Essenz und überführt sie in eine ganz eigene Bildersprache.
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Wo Frank Flöthmann draufsteht, ist Frank Flöthmann drin: Der Comiczeichner eignet sich gerne literarische Vorlagen an – originell, mit unverkennbarem Stil und ohne Text. Geht das gut? Und wie! Schließlich hat er schon mit seinen Interpretationen von Grimms Märchen oder Shakespeares Dramen bewiesen, dass weniger oft mehr ist.
Auch sein aktuelles Werk „Helden ohne Worte“ (Dumont, 76 Seiten, 24 €) kommt ohne Buchstaben aus. Mit Robin Hood, Odysseus, Ali Baba, dem Rattenfänger von Hameln und Tarzan hat er sich jetzt fünf Helden aus Sagen, Mythen und Märchen vorgenommen und sie zeitlos oder aktualisiert inszeniert.
Dazu braucht Flöthmann nicht mehr als ein paar typisierte, simple Figuren und Sprechblasen mit Piktogrammen, Satzzeichen oder Icons mit hohem Wiedererkennungswert: Ein „Daumen hoch“ steht für Einverständnis oder Lob, ein „Kackhäufchen“ signalisiert Ablehnung oder Pannen, ein durchgestrichener Lautsprecher mit Ausrufezeichen bedeutet Stille. Derart eingedampft schnurrt die fast 300 Seiten starke Erzählung „Tarzan bei den Affen“ schließlich auf 15 Seiten Comic zusammen.
Starke Frauen stehlen Männern die Schau
Dabei sprengt Flöthmann die Grenzen der Nacherzählung und nimmt sich mit Gespür für Leerstellen in der Dramaturgie der Originale auch beherzt die eine und andere Freiheit. Mit klugem Witz fügt er so den Lesarten der Heldengeschichten neue Ebenen hinzu: Er ändert den Schluss, ergänzt die Handlung um neue Details – und fordert die Bildbetrachter:innen auf jeder Seite zu genauem Hinsehen auf.

© Dumont
So gerät das Ende von Ali Baba und die vierzig Räuber zu einem Beispiel weiblicher Selbstermächtigung, als die kluge Sklavin Morgiane mit dem Schatz und ihren Freundinnen von dannen zieht. Eine starke Frauenfigur ist auch die treffsichere Maid Marian, die den Galgenstrick um Robin Hoods Hals mit einem Pfeil durchtrennt. Und in der Stadt Hameln freuen sich die Eltern, endlich ihre nervenden und lärmenden Kinder los zu sein.

© Foto: Dumont
Auch stilistisch ist der neue Comic ein echter Flöthmann. Erneut besteht die Farbwelt nur aus wenigen, flächig aufgetragenen Farben – Schwarz, Rot, Silber und Weiß. Der Illustrator weiß: Die teils komplexere Handlung der Originale, die verschiedenen Lesarten oder die Psychologie der Helden lassen sich im Comic nur schwer widerspiegeln.
Das macht er dafür mit seiner Liebe für detaillierte Darstellungen mehr als wett. Vor allem für jene akribisch ausgefeilten Szenen, die sich über eine Doppelseite erstrecken, braucht man Zeit, Muße und einen guten Blick.
Wer sich dabei dem Interpretieren, Enträtseln, Einordnen und Weiterdenken hingibt, wird reich belohnt: All jene, die die Geschichten noch nicht kennen oder nur schwach in Erinnerung haben, erfahren hier mehr über die Protagonisten.
Mit Kindern durch diese etwas anderen Heldenwelten zu treiben, macht dabei besonders viel Spaß. Wer sich schon mit den Vorlagen befasst hat, goutiert den Witz auf der Metaebene oder die vielen Anspielungen auf bekannte Alltagsphänomene und Referenzen aus der Popkultur. So haucht Flöthmann letztlich auch weniger bekannten Sagen oder Märchen neues Leben ein.
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