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Klassiker: Asterix-Zeichner Albert Uderzo ist in diesem Jahr einer der Ehrengäste des Festivals.

© Promo

Comicfestival: Hoch-Zeit für die Neunte Kunst

Ende Januar öffnet erneut Europas größte und wichtigste Comicmesse im französischen Angoulême. Was die Besucher erwartet, fasst der diesjährige Tagesspiegel-Korrespondent Thomas Hummitzsch zusammen.

Um die Bedeutung des Comicfestivals in Angoulême für die europäische Comicwelt erfassen zu können, muss man nur auf die Gästeliste des Festivals schauen. Kamen in den vergangenen Jahren Zeichnergrößen wie Art Spiegelman, Jiro Taniguchi, Marjane Satrapi, Chris Ware, Guy Deslisle, Craigh Thompson oder Blutch in die südfranzösische Kleinstadt, sind in diesem Jahr namhafte Gäste wie Chester Brown, Albert Uderzo, Anders Nielsen oder Bastian Vivès angekündigt. Letzterer wird während des Festivals ein Live-Konzert des französischen Pop-Künstlers Lescop illustrieren – und Hunderte werden ihm dabei tanzend über die Schulter schauen.

Das internationale Comicfestival von Angoulême findet in diesem Jahr zum 40. Mal findet statt. Seit 1974 strömt die Comicwelt in das kleine südwestfranzösische Städtchen mit knapp 40.000 Einwohnern, um die Neunte Kunst im Kanon der bildenden Künste, den Comic, zu feiern. Zum Jubiläum richten die Organisatoren den Fokus nicht nur auf die besten Neuerscheinungen des letzten Jahres, sondern wenden sich auch den letzten 40 Jahren zelebrierter Comickultur zu.

Europas größte Comicmesse bietet den Rahmen für mehrere spannende Ausstellungen. Dem Asterix-Zeichner Albert Uderzo, selbst 1999 mit dem Großen Preis für sein Gesamtwerk ausgezeichnet, ist in diesem Jahr eine umfangreiche Retrospektive gewidmet. Diese eröffnet einen Einblick in Uderzos gezeichnete Welt, von seinen weltweit bekannten gallischen Asterix-Helden über den Indianer Umpah-Pah bis hin zu den beiden Piloten Tanguy und Laverdure (auf Deutsch bei Ehapa).

Festivalpräsident 2103: Jean-Claude Denis bei der Preisverleihung 2012.
Festivalpräsident 2103: Jean-Claude Denis bei der Preisverleihung 2012.

© AFP

In einer zweiten bemerkenswerten Ausstellung können 150 Originale des diesjährigen Jurypräsidenten Jean-Claude Denis bestaunt werden. Denis verdankt seine Berühmtheit „Luc Lamarc“, einem verloren-verträumten Großstädter, der bis heute Vorbild für Alltagshelden wie „Monsieur Jean“ oder Manu Larcenets Alter Ego (beide auf Deutsch bei Reprodukt) ist. In seinen 35 Schaffensjahren mit über 40 veröffentlichten Alben schuf Denis ein überaus abwechslungsreiches Universum an Charakteren und Geschichten, die hierzulande noch entdeckt werden wollen. Deutschsprachig liegt lediglich das mit Philippe Dupuy und Charles Berberian verwirklichte Album „Beinahe reich“ (Reprodukt) vor.

Albert Uderzo und Jean-Claude Denis sind nur zwei Zeichner, denen Ausstellungen am Rande des Comicfestivals gewidmet sind. Interessierte können in den diesjährigen Ausstellungen in Angoulême die unterschiedlichen Zeichenwelten von Künstlern wie Andreas, Didier Comès, Jano, Brecht Evens oder Pénélope Bagieu erkunden.

Andere Bilderschauen sind thematisch sortiert. Im Zentrum von Angoulême wird an das Disney-Universum und dessen Zeichner erinnert. Zu den Machern der Welt von Donald Duck und Micky Maus gehörten nicht nur Walt Disney und Carl Barks, sondern auch zahlreiche Europäer, darunter Guido Martina, Romano Scarpa, Luciano Bottaro oder Giorgio Cavazzano. Die Schau „Micky & Donald – eine Kunst für sich“ will anhand zahlreicher Strips, Fotografien, Seitenentwürfen und Skizzen an diese Zeichner und ihren Einfluss auf das Disney-Universum eingehen.

Im Justizpalast der Stadt kann man der Frage nachgehen, wie in Comics die Fragen nach Recht und Gerechtigkeit aufgegriffen wurden. Zu sehen sind Szenen und Ausschnitte aus zahlreichen Comics, in denen diese Fragen diskutiert und behandelt werden. Die ausgewählten Comichelden reichen von Lucky Luke über Matthew Michael Murdock in „Daredevil“ bis hin zu Judge Joe Dredd in „2000 A.D.“. Einen Publikumsmagnet dürfte zweifelsohne die Ausstellung algerischer Comic-Kunst darstellen – nicht nur, weil Frankreich und Algerien historisch besonders verbunden sind, sondern weil nach dem arabischen Frühling alle Welt neugierig ist, wie Künstler aus diesen Ländern die politische Entwicklung im arabischen Raum wahrnehmen und interpretieren. 50 Comiczeichner und Künstler aus Algerien bzw. mit algerischen Wurzeln stellen in dieser Schau ihre Arbeiten vor, in denen sie oft kritisch auf zeithistorische gesellschaftspolitische Ereignisse der vergangenen 50 Jahre eingehen.

Für Fans asiatischer Comics haben die Organisatoren auch in diesem Jahr ein umfangreiches Programm zusammengestellt. 24 Comicautoren aus Korea werden während des Festivals den koreanischen Comic vertreten und einen Eindruck über dessen Vielfältigkeit hinterlassen wollen. Ein Highlight stellt zweifelsohne der Besuch des japanischen Mangazeichners Akira (Leiji) Matsumoto dar, dessen gezeichnete Science-Fiction-Operetten eine international wachsende Fangemeinde verschlingt.

In Angoulême werden auch einige Kinofilme ihre Vor-Premieren feiern, die die Herzen von so manchem Comicfan werden höher schlagen lassen. So wird auf dem Comicfestival die filmische Adaption der „Aya“-Serie von Marguerite Abouet gezeigt, die erst im April in die französischen Kinos kommt. Ebenfalls als Preview wird ein Dokumentarfilm über den franko-belgischen Comic-Helden Spirou und seine Zeichner gezeigt.

Wandbemalung in der Innenstadt vom Comczeichner MaxCabanes.
Wandbemalung in der Innenstadt vom Comczeichner MaxCabanes.

© Lars von Törne

Bleiben zuletzt einige Anmerkungen zu den für die Comicpreise von Angoulême nominierten Künstler und Alben. Waren in den vergangenen Jahren auch einige deutschsprachige Künstler unter den Nominierten, etwa Ulli Lust oder Jens Harder, geht der deutschsprachige Comic in diesem Jahr leer aus. Unter den nominierten Titel befinden sich aber einige, die auch bereits in Deutschland auf dem Markt sind oder demnächst erscheinen werden. In deutscher Übersetzung bereits erschienen sind Anders Brekhus Nielsens Finkendrama „Große Fragen“ (Atrium), der umwerfende Politikcomic „Quai d’Orsay“ von Abel Lanzac und Christophe Blain (Reprodukt), Chester Browns gezeichnetes Geständnis „Ich bezahle für Sex“ (Walde+Graf) sowie Charles Burns traumwandlerische Erzählung „Die Kolonie“ (Reprodukt). In den nächsten Monaten folgen Emmanuel Guiberts „Die Kindheit Alans“ (Edition Moderne), das Gaunerstück „Die große Odaliske“ von Bastien Vives und Rupport/Mulot (Reprodukt), die Geschichte des eigenen Vaters in „Stalag IIB“ von Jacques Tardi (Edition Moderne), Marko Turunens Collage „Der Tod klebt an den Fersen“ (Mami Verlag) sowie die Fortsetzung von Julie Birmants und Clément Oubreries Pariser Künstlercomic in „Pablo 2 – Apollinaire“ (Reprodukt).

Das Comicfestival öffnet vom nächsten Donnerstag, dem 31. Januar, bis Sonntag täglich von 10 bis 19 Uhr seine Pforten. Die Tageskarte kostet 15 Euro, der Messepass 33 Euro. Die Anreise erfolgt am besten mit dem Zug von Paris oder Bordeaux. Weitere Informationen unter www.bdangouleme.com.

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