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Sex oder Geld? Die Darstellung der Weißen ist meist wenig schmeichelhaft.

© Schreiber & Leser

Comic-Album: Huckleberry Finn in Kenia

Die zweiteilige Comic-Erzählung „Kililana Song“ fasziniert mit afrikanischen Alltagsimpressionen, einfühlsamen Charakterschilderungen und kunstvollen Panels.

Benjamin Flao, französischer Autor und Zeichner, hat bei Reisen in Eritrea und Kenia viele Geschichten aufgeschnappt und miterlebt und daraus mit „Kililana Song: Eine Kindheit in Kenia“ einen vielschichtigen und dynamischen Comic entwickelt, dessen erster Band jetzt auf Deutsch vorliegt. Durch seinen liebevoll präsentierten Ich-Erzähler und Protagonisten, den elfjährigen Jungen Naim, erinnert die Erzählung angenehm an Mark Twains Abenteuer um Tom Sawyer und vor allem Huckleberry Finn.

Der Halbwaise hat so gar keine Lust, die Koranschule zu besuchen und dort auf Arabisch die Suren auswendig zu lernen, ohne sie selbstständig verstehen zu können. Sein frommer Bruder Hassan besteht darauf und jagt ihn durch die Straßen eines kenianischen Küstenstädtchens – er sammelt Punkte fürs Paradies, wie der bauerschlaue Naim weiß. Naim ist ein Lebenskünstler mit seiner ganz eigenen Sicht auf Gott, der sich unter anderem damit durchschlägt, dass er einen vielgereisten Alten mit Qat versorgt, dem beliebten ostafrikanischen Rauschmittel. Die drogeninduzierten „Weisheiten“ des Alten erinnern den Jungen aber eher an die Schule; vielleicht ein ironischer Seitenhieb Flaos auf die in Afrika weit verbreitete Autoritätsgläubigkeit gegenüber Älteren?

Der Band ist eine liebevolle, in schönen Aquarellfarben präsentierte Mischung zwischen Alltagsbeobachtungen zur afrikanischen Lebensweise und einer verschlungenen Abenteuergeschichte. Immer wieder gibt es ganzseitige Ansichten, beinahe wie Gemälde voll Melancholie, mit dem schönen Effekt, dass man hier und da die Protagonisten klein im Bild entdeckt.

Lebenskünstler: Die Hauptfigur auf dem Buchcover.
Lebenskünstler: Die Hauptfigur auf dem Buchcover.

© Schreiber & Leser

Es geht um Schmuggel, um Landkonflikte, um den Konflikt zwischen Tradition und Moderne, zwischen Stadt/Staat und Land/Individuum. Die Darstellung der Weißen, die aus den unterschiedlichsten Anlässen und mit unterschiedlichen Interessen im Alltag der Afrikaner eine Rolle spielen, ist meist wenig schmeichelhaft – Sex und Geschäft stehen hier im Vordergrund.

Wie die verschiedenen Fäden zusammengeführt werden und ob der eine oder die andere Weiße doch noch eine bessere Figur macht, dass erfahren wir im abschließenden zweiten Band, der in nach Angaben des Verlages in diesem Herbst erscheinen soll.

Benjamin Flao, „Kililana Song: Eine Kindheit in Kenia“ (1. Teil), Schreiber & Leser, 128 Seiten, 24,80 Euro

Unser Gastautor Dr. Thomas Greven ist Senior Research Fellow am Institut für Internationale Politik, Berlin, und Privatdozent am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin. Mehr Texte von ihm zu politischen und sozialen Themen im Comic finden sich unter diesem Link. 

Thomas Greven

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