zum Hauptinhalt
Die Comic-Autoren machen den kreativen Prozess des Komponisten Karl-Heinz Stockhausen sichtbar.

© Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Karlheinz Stockhausens Leben als Comic: Superheld mit Supersound

Eine Graphic Novel widmet sich dem Leben Karlheinz Stockhausens. Deren Autor Thomas von Steinaecker verband eine lange Freundschaft mit dem Komponisten.

Von Christian Meyer-Pröpstl

Comics können ganz wunderbar mit Bildern erzählen. Sie können auch sehr gut mit Sprache und Text umgehen. Nicht so gut funktioniert die Tonspur. Es gibt allerdings Hilfsmittel wis Soundwords: „Bumm“, „Zack“, „Boing“. Die „Lettern“ kann man zudem visuell ‚klanglich‘ gestalten: groß oder klein und dick oder dünn für laut und leise, rundlich für harmonisch oder kantig für disharmonisch. Aber so richtig nah kommt man einem echten Klangerlebnis damit nicht.

Doch genau darin liegt der Reiz des Verhältnisses von Comic und Ton, und es haben sich schon viele Zeichner der Aufgabe gestellt, eine adäquate visuelle Umsetzung von Klang zu finden. Gerade bei dem Komponisten Karlheinz Stockhausen ist das naheliegender, als man bei seiner komplexen Musik zunächst denken könnte. Denn tatsächlich haben Stockhausens Notationen selber schon eine visuelle Qualität. Er schuf sogar musikalische Bilder an der Schnittstelle zwischen Grafik und Notation, um das Verständnis seiner Musik über visuelles Begreifen zu erleichtern.

Kein Ton, aber dank des Zeichners David von Bassewitz unbegrenztes Bildmaterial
Kein Ton, aber dank des Zeichners David von Bassewitz unbegrenztes Bildmaterial

© Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Und trotzdem: Warum kein Dokumentarfilm? Der hat immerhin eine Tonspur. Thomas von Steinaecker, der Autor des jetzt im Carlsen-Verlag veröffentlichten Comics „Stockhausen – Der Mann, der vom Sirius kam“ hat nicht nur zahlreiche Romane veröffentlicht (und 2017 zusammen mit Barbara Yelin die Graphic Novel „Der Sommer ihres Lebens“), sondern tatsächlich bereits 2009 den einstündigen Stockhausen-Dokumentarfilm „Musik für eine bessere Welt“ realisiert.

Schon da musste er feststellen, dass im Gegensatz zu dem Tonmaterial das Filmmaterial zu Stockhausen begrenzt ist. 2011 realisierte von Steinaecker ein Hörspiel mit dem gleichen Titel wie der gerade erschienene Comic. Dort konnte er klanglich aus den Vollen schöpfen und musste sich um fehlendes Bildmaterial nicht sorgen – im Hörspiel gibt es keine Bilder.

Nun also ein Comic mit genau den umgekehrten Vorzeichen: kein Ton, aber dank des Zeichners David von Bassewitz („Vasmers Bruder“) unbegrenztes Bildmaterial – sowohl von Stockhausen als auch von den historischen Ereignissen, die das Leben des Komponisten prägten: vom Zweiten Weltkrieg und den Gräueltaten der Nazis über die bundesrepublikanische Nachkriegszeit und ihre kulturelle Avantgarde bis zu ‘68 und den spirituellen Folgen.

Kein Ton kann auch eine Befreiung sein, wie man bei dem vorliegenden Stockhausen-Comic fasziniert feststellen kann.

Christian Meyer-Pröpstl

„Kein Ton“ kann auch eine Befreiung sein, wie man bei dem vorliegenden Stockhausen-Comic fasziniert feststellen kann. Denn der Comic befreit zunächst von den bekannten Extremklängen des Komponisten und gibt den Blick frei auf den dahinter stehenden Künstler mit seiner Lebensgeschichte und seinen Gedanken und Gefühlen, Traumata und Hoffnungen.

Der junge Thomas von Steinaecker, gezeichnet von David von Bassewitz.
Der junge Thomas von Steinaecker, gezeichnet von David von Bassewitz.

© Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Und dann bricht doch wieder die Musik herein. Nicht in hörbaren Tönen, sondern in visuellen Attraktionen, in denen Farben, Formen und Linien eine Freiheit, aber auch eine Struktur dieser Neuen Musik, die die Popmusik ebenso beeinflusst hat wie die akademische Musik, erkennen und verstehen lassen.

Die letzten Seiten lassen einen zweiten Comic-Band erahnen, in dem Autor von Steinaecker noch persönlicher an Stockhausen und seine Musik herantreten könnte. Denn schon in diesem ersten Band tritt der Autor in einer Rahmenhandlung auch selber auf – als Zwölfjähriger, der in der deutschen Provinz der 80er Jahre durch seine Eltern von Stockhausen angefixt wird. So sehr, dass er dem Meister 1989 einen Brief schreibt.

Daraus ist eine lebenslange Freundschaft zwischen dem jungen Fan und dem Weltstar, der von sich behauptet, vom Stern Sirius zu stammen, geworden. Mit „Stockhausen“ hat der Fan einen ersten Superheldencomic über diese Freundschaft geschrieben. Im zweiten Teil dürfte das Bild des polarisierenden Helden noch persönlicher ausfallen. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false