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Überlebenskampf: Eine Seite aus „Cyberpunk 2077 – Trauma Team“.

© Panini

„Cyberpunk 2077“ als Comic: Leben und Sterben in Night City

Als Videospiel war „Cyberpunk 2077“ eine große Enttäuschung. Die Comicadaption kann sich dagegen sehen lassen - von einigen erzählerischen Schwächen abgesehen.

Stand:

Patronenhülsen säumen schon auf den ersten Seiten von „Cyberpunk 2077 – Trauma Team“ (Panini Comics, 108 S., 15 €) die futuristischen Häuserschluchten Night Citys, einer korrupten Metropole in Kalifornien, durchdrungen von Kriminellen und denen, die es werden wollen.

Die Sanitäterin Nadia und ihre konzerngesponserte Elite-Einheit, das Trauma-Team, betreten das Schlachtfeld. Prädestiniert dafür, wohlhabende Kunden aus lebensgefährlichen Situationen zu retten, verarztet Nadia den verblutenden Klienten.

Dann passiert alles ganz schnell. Ihr Team wird überrannt. Nur sie wird vom Täter verschont, bleibt selbst mit einem Trauma zurück. Als Nadia wenige Monate später wieder den Dienst antritt, erkennt sie bei ihrer nächsten Mission genau diese Person wieder: Ausgerechnet der Mörder ihres einstigen Teams ist jetzt derjenige, den es zu versorgen gilt.

Neonlichter und ewiger Regen etablieren den Handlungsort, der eigentlich im Videospiel „Cyberpunk 2077“ vorkommt. Das Spiel erschien im vergangenen Jahr immens unfertig und löste eine riesige, bisher in der Größenordnung noch nie dagewesene Empörung über die Videospielbranche hinaus aus.

Investoren verklagten das Entwicklerstudio CD Projekt RED, Sony verbannte das Spiel sogar aus dem Playstation-Store. Nun hat sich der Comicautor Cullen Bunn („The Sixth Gun“) gemeinsam mit dem Zeichner Miguel die Cyberpunk-2077-Welt für eine Miniserie vorgenommen, deren vier Bände jetzt auf Deutsch als Buch gesammelt veröffentlicht wurden. Allen Erwartungen zum Trotz kann sich das Ergebnis sehen lassen.

Ein Hochhaus, bewaffnete Killer, ein Konflikt

Während das Spiel von CD Projekt RED nur so strotzt vor nicht zu Ende gedachter Überambition und einer viel zu riesigen Spielwelt, entfaltet Bunn seine Geschichte in einem kleineren, dafür effektiveren Rahmen. Er benötigt nur ein Hochhaus, bis unter die Zähne bewaffnete Killer und einen inneren Konflikt, der zwei Charakteren ordentlich Tiefe verleiht, um zu fesseln.

Eine weitere Szene aus „Cyberpunk 2077 – Trauma Team“.

© Panini

Hier wird sich auf das Wesentliche fokussiert. Bunn integriert weniger Elemente aus dem Spiel als angenommen und spinnt die Miniserie um eine Einheit, die in der Spielwelt eher sporadisch in Erscheinung tritt.

Durch diese Herangehensweise lebt der Cyberpunk stimmiger auf. Unter dem Begriff werden die voranschreitende Technologie und Digitalisierung in dystopischen Zukunftsszenarien thematisiert. Jener Fortschritt offenbart gesellschaftliche Ängste und Abgründe.

Gleichzeitig eröffnen sich philosophische, existenzielle Gedankenspiele. Wie sehr ist der Mensch noch er selbst, wenn immer mehr körperliche Modifikationen an ihm vorgenommen werden, und wann ist die Schwelle zur Maschine überschritten?

Zwischen Mensch und Maschine

Diese Überlegungen finden sich auch in Bunns Werk wieder, doch erweisen sie sich dort als zu kurz gedacht. Am menschlichsten agiert Nadia. Untypischerweise hat Valderrama sie in keiner einzigen Zeichnung mit körperlichen Modifikationen versehen.

Im Gegensatz dazu steht der von ihr verabscheute Klient, bei dem es leichter zu zählen wäre, wo Technik noch Haut ersetzen könnte. Die Schlussfolgerung: Wer seinen Körper mehr konfiguriert, wird gleichzeitig auch moralisch ambivalenter. Eine zu plumpe und vereinfachte Einstellung.

Das Titelbild des besprochenen Comics.

© Panini

Abhilfe verschaffen jedoch Valderramas Zeichnungen. Er minimiert den im Spiel zum Selbstzweck verkommenden Cyberpunk-Stil, stellt mit ruppigen, kinetisch geladenen Actionszenen kompromisslos den Kampf gegen den Nihilismus dar, gestaltet die pragmatischen Handlungen außerdem durch dynamische Bilderfolgen überaus ansprechend.

Trotz eben genannter Schwäche stellt sich das Ende, an dem Nadia vor einem moralischen Wendepunkt steht, als gelungene Konklusion heraus. Lässt sie ihren Emotionen freien Lauf oder gibt sie doch dem von Korruption verseuchten Konzernsystem nach?

Die Entscheidung bestimmt ihre Existenz, für den Zuschauer nimmt die Geschichte dennoch einen nihilistischen Ausgang. Ein ganz normaler Tag streicht in Night City vorüber, egal wie Nadia sich entscheidet.

Moritz Koch

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