zum Hauptinhalt
Tierische Helden: Eine Szene aus dem zweiten Band von „Schloss der Tiere“.

© Splitter

Von George Orwell inspiriert: Revolutionärin auf vier Pfoten

Xavier Dorisons und Félix Deleps „Schloss der Tiere“ beeindruckt vor allem zeichnerisch. Erzählerisch reicht der Comic nicht an das Vorbild heran.

Eigentlich kann Miss Bengalore keine Probleme gebrauchen, Hauptsache, ihre beiden Katzenjungen sind gut versorgt. Doch unter der Herrschaft des „Präsidenten“ Silvio, eines kräftigen Stiers, und dessen Doggenmiliz muss die verwitwete Katzenmutter wie die anderen Tiere des Bauernhofes für einen Hungerlohn täglich harte Arbeit leisten.

Der Unmut wächst, einzelne Tiere fordern bessere Verpflegung und Mitsprache. Dafür werden sie am Tor des „Gerichtshofes“ aufgespießt. Zusammen mit dem charmanten Hasen Cäsar und der gebildeten Ratte Graugreis versucht Miss Bengalore, das Terrorregime mit Phantasie und Humor zu Fall zu bringen...

Ein Theaterstück über gewaltlosen Widerstand

Der französische Szenarist Xavier Dorison knüpft mit „Schloss der Tiere“ (Splitter, bislang zwei Bände, 72 S./56 S., 17/16 €) recht frei an George Orwells „Farm der Tiere“ an, mit der der britische Schriftsteller 1945 den Sowjetkommunismus in Form einer Tierparabel analysierte und dessen Verlogenheiten bloßlegte.

Schauplatz des Comics ist ein von Menschen verlassener englischer Bauernhof, der Teil eines Schlosses ist. Die Behauptung des Stiers Silvio, dass das Schloss von Wolfsrudeln bedroht wird, ist der Vorwand, um seine Macht aufrechtzuerhalten und die Hoftiere für seine luxuriösen Bedürfnisse schuften zu lassen.

[„Schloss der Tiere“ wurde kürzlich in die vierteljährlich erstellte Bestenliste von 30 Comic-Kritikerinnen und -Kritikern gewählt, mehr dazu hier.]

Doch seine Macht bröckelt. Die Wanderratte Graugreis beobachtet, wie Silvio Waren seines Hofes an die Menschen verschachert. Graugreis führt im Hühnerstall ein Theaterstück über einen gewaltlosen Widerstand der Menschen auf, das die Tiere lehrt, wie sie die Mächtigen friedlich zermürben können.

Eine Seite aus dem ersten Band von „Schloss der Tiere“.
Eine Seite aus dem ersten Band von „Schloss der Tiere“.

© Splitter

Während das Szenario der ersten zwei von vier geplanten Comicbänden intelligent und spannend aufgebaut ist, jedoch nicht an die Originalität und Vielschichtigkeit der Orwellschen Dystopie heranreicht, sind die Zeichnungen von Dorisons Landmann Félix Delep eine Augenweide.

Der junge Zeichner verleiht in naturalistischer Disney-Manier, jedoch zeitgemäßer im Strich, seinen Tierfiguren ausgeprägte Charaktere und legt dabei viel Wert auf deren mimischen und gestischen Ausdruck.

Die Titelbilder der bisher erschienen zwei Bände.
Die Titelbilder der bisher erschienen zwei Bände.

© Splitter

Die zunächst nur „hübsch“ erscheinende Miss Bengalore macht unter seiner Feder eine interessante Wandlung durch: von der verantwortungsbewussten, etwas zaghaften Katzenmutter hin zur couragierten Anführerin einer Protestbewegung.

Der frivole Cäsar dient hingegen als humoristischer Sidekick, der der oft grausamen Handlung etwas Leichtigkeit verleiht.

75 Jahre nach dem Original gelingt dem Team Dorison-Delep durch pointierte Handlungsakzente, eine abwechslungsreiche Seitengestaltung und die stimmungsvolle Kolorierung in erdigen Rot- und Brauntönen ein spannender Auftakt zu ihrem Update der Orwell-Fabel.

Zur Startseite