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Auf der Flucht: Eine Szene aus „Celestia“.

© avant

Science-Fiction-Comic „Celestia“: Schön ist die Welt nach dem Weltuntergang

Manuele Fiors neue Comic-Erzählung „Celestia“ ist ein Fest fürs Auge. Leider verliert er sich und die Leser:innen in den Rätseln der Handlung.

Dafür, dass Manuele Fior durch Zufall zum Comic kam – er arbeitete als Architekt, bevor er mit Bildergeschichten anfing - hat er ein beachtliches Werk hingelegt. Kurzgeschichten, Literatur-Adaptionen, Graphic Novels, eine davon, „Fünftausend Kilometer in der Sekunde“, sogar mit dem Prix d'Angoulême ausgezeichnet. Nach acht Jahren ohne große Erzählung legt er nun eine neue Graphic Novel vor: „Celestia“ (aus dem Italienischen von Myriam Alfano, avant, 272 S., 29 €)

Schöne neue Welt: Eine Doppelseite aus „Celestia“.
Schöne neue Welt: Eine Doppelseite aus „Celestia“.

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Manuele Fiors Comics zeichnen sich durch die hohe Kunst des Weglassens aus. Alles zum Verständnis Notwendige wird nur angedeutet, Ungesagtes und Ungezeigtes bestimmt, was in den Bildern geschieht, es bleiben ungelöste Fragen. Dazu kommt eine Könnerschaft im Aquarellzeichnen, die im europäischen Comic ihresgleichen sucht. Selbst weniger gelungene Bildergeschichten glänzen schier vor Eleganz und Ausdruckskraft.

Das gilt auch für seine „Celestia“, wie immer mit schwungvollem Pinselstrich gezeichnet, in leuchtenden Aquarellfarben koloriert. Lichtstimmungen gelingen Fior hier ebenso gut wie Verfolgungs-Sequenzen. Fast könnte man vergessen, dass es sich um eine dystopische Geschichte handelt. Aber nur fast.

Fiors Hauptfiguren Pierrot - stilecht mit Träne und in Clownanzug - und Dora - schmal, langhaarig mit mandelförmigen Augen, eine neue Version seiner gleichnamigen Protagonistin aus „Die Übertragung“ - sind auf der Flucht. Pierrots Vater will die Herrschaft auf der Insel Celestia, unschwer als überschwemmtes Venedig erkennbar. Er trainiert und manipuliert eine Gruppe Telepathie-Begabter.

Auch Dora und Pierrot sollen sich ihr anschließen. Beide sind zwar telepathisch begabt und stehen im Geiste einander näher als ihnen lieb ist, doch zwingen lassen wollen sie sich nicht. Sie fliehen von der Insel. Auf dem Festland gelandet, begegnen sie in einer futuristischen Burg einem Kind mit dem Intellekt eines Erwachsenen. Es nutzt die beiden als Chauffeure.

Fior schwelgt zu sehr in seiner Kunst und in Orakeln

Zusammen landen sie in einer Hochhaus-Siedlung mit noch mehr Erwachsenen in Kinderkörpern. Sie prophezeien eine bessere Zukunft, eine neue Zeit. Doch zuerst müssen Dora und Pierrot zurück nach Celestia. Dort treffen sie nicht nur auf die anderen Telepathen, sondern auch Kleinganoven - Pierrot geht mit seinen Gegnern selten glimpflich um.

Das Titelbild von „Celestia“.
Das Titelbild von „Celestia“.

© avant

Klingt seltsam für eine Dystopie. Ist es auch. Fior gelingt es bei aller Originalität nicht, eine Zukunft zu entwerfen, die mit unserer Gegenwart noch etwas zu tun hat. Celestia/Venedig wirkt genauso hochgradig künstlich wie die Figuren.

Hinzu kommt, dass vieles gewollt tiefsinnig daherkommt – warum Pierrot manchmal in Gedichtform spricht, bleibt ein Rätsel. Genau wie die Entscheidungen Doras und Pierrots, die zu Anfang fliehen, aber dann in die Welt zurückkehren, die sie eigentlich ablehnen. Fior schwelgt zu sehr in seiner Kunst und in Orakeln. Und vergisst das Gerüst guter Graphic Novels: eine plausible Geschichte.

Silke Merten

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