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Seltsame Heldenreise: Eine Szene aus „Requiem“.

© Zwerchfell

Fantasy-Epos „Requiem“: Skelettritter und Ziegendämon

Albert Mitringer erzählt in „Requiem“ von einer turbulenten Heldenreise. Optisch beeindruckend, wenn auch mit kleinen erzählerischen Schwächen.

Stand:

Ein Gebirge aus Skeletten, Geschützen, gefiederten Pfeilen und anderem Kriegsgerät eröffnet den Comic „Requiem“ (Zwerchfell, 186 S., 25 €). Es ist auf einer vollen Seite in akribisch feinen, dichten schwarzen Strichen gezeichnet und bietet ein schwarzweißes Bild der Verwüstung.

Eine weitere Szene aus „Requiem“.

© Zwerchfell

Ein wenig erinnert die Stimmung an die im 30jährigen Krieg angesiedelte Geschichte „Die Verwerfung“ von Lukas Kummer, die allerdings in ihrer nüchternen Brutalität weitaus verstörender war. Mitringer erzählt hingegen ein Fantasy-Epos, das neben veritablen Monstern und wüsten Kämpfen auch eine herzerwärmende Note und Comedy-Elemente beinhaltet.

Protagonist ist ein aus der Totenruhe erwachter Ritter, der zu Beginn als unförmiges Bündel am Rande des fein gestrichelten Bergs aus Kriegsüberresten liegt, umkreist von einer Krähe. Langsam regt und erhebt sich die Gestalt, ein Skelett in zerrupftem Harnisch, in dessen Rücken Pfeile stecken.

Gleich wird auch der Gegenspieler etabliert: Ein monströser, muskelbepackter Ziegendämon, der einerseits das Duell mit dem Skelettritter sucht und andererseits nach einem Buch mit dem Titel „Annabelles Grimoire“ fahndet. Dabei handelt es sich aber offenbar nicht um ein Zauberbuch, sondern vielmehr um einen Fantasy-Schmöker für alle Altersstufen… Der Dämon bekam die ersten Kapitel offenbar als Junior vorgelesen und brennt nun auf die Fortsetzung.

Auf den kommenden Seiten beginnt eine seltsame Heldenreise: Der Skelettritter versucht, herauszufinden, wer er zu Lebzeiten war, und folgt dazu der schwarzen Krähe, die ihn anfangs umkreist und an die er sich zu erinnern glaubt. Die Krähe der – nicht im Vogellexikon verzeichneten – Art Corvus vagabundus wandert mit den Jahreszeiten und kehrt im Frühling in ihre Heimat zurück; sie wird ihn dorthin führen, wo er einst herkam, glaubt der Ritter.

Bruchstücke der Erinnerung

Der Ziegendämon bleibt ihm auf den Fersen, und plötzlich hat er außerdem einen kleinen Jungen im Schlepptau. Nach und nach kehren Bruchstücke der Erinnerung an sein früheres Leben zurück, die als farbige, weich konturierte Passagen zwischen die schwarzweißen Seiten mit hartem Strich geschaltet sind.

Das Titelbild von „Requiem“.

© Zwerchfell

Albert Mitringers Zeichnungen und sein Seitenaufbau sind von Manga-Einflüssen geprägt: zackige Schraffuren, zersplitterte Panels und ein Lettering, das Teil der Grafik ist und etwa dazu genutzt wird, durch unterschiedliche Schriftarten Sprecher voneinander abzugrenzen.

Solche Einflüsse waren schon in Mitringers Debüt zu erkennen, dem 2017 im Luftschacht-Verlag erschienenen, wortlosen Comic „Lila“. Darin erzählte der 1991 geborene Wiener ebenfalls von einer wundersamen Reise, nämlich der eines kleinen Mädchens, das ins Weltall fliegt, um der Gewalt im Elternhaus zu entfliehen.

Optisch ist „Requiem“ sehr beeindruckend, ganz besonders die schwarzweißen Passagen mit ihren harten Schraffuren, Ziselierungen, Konturen und Kontrasten.

Manche Teile in der Erzählung dieser turbulenten Fantasy-Reise sind allerdings für Leser:innen nicht leicht zu durchschauen. Und die Herkunftsgeschichte des untoten Kriegers ohne gar so viele Rollenklischees wäre noch schöner gewesen.

Barbara Buchholz

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