zum Hauptinhalt
291387_0_f061e417.jpg

© Illustration: CrossCult

Horror-Comic: Sterben als Chance

Der Tod ist nur eine Zwischenstation: Die Zombie-Serie "The Walking Dead" folgt den Regeln des Genres und entwickelt doch einen eigenen, eigentümlichen Reiz.

Zunächst die Fakten: Autor Robert Kirkman konzipierte "The Walking Dead" als Endlosserie, ein Abschluss ist auch in den USA noch nicht in Sicht. Cross Cult bringt die Heft-Reihe löblicherweise in fein gestalteten Hardcover-Sammelbänden heraus, je sechs Hefte umfassend gibt es bisher derer acht. Ausführliche Interviews mit Autor Kirkman und Zeichner Tony Moore, sowie ausgleichend leider eher schlechte als rechte, also schon schlicht dahingeschluderte Schweinsgalopp-Beraterguides über die Zombiefigur im Popkosmos (meint Zombie im Film, Zombie im Videospiel, Zombie im Comic; als Füllwerk demnächst vielleicht auch noch Zombie im Klebealbum, Theater und Porzellan) ergänzen die ansonsten in jeder Hinsicht sorgfältig editierten Einzelbände. Bleibt zu hoffen, dass das Interesse der Kundenschar lang genug für eine vollständige Übersetzung bestehen bleibt.

"Walking Dead" schickt sich nun nicht an, das Rad neu zu erfinden. Alles andere käme angesichts des vielfältig erprobten Sujets auch reiner Hybris gleich. So steigen wir ein in eine Spurensuche der motivischen Grundlagen aller Apokalypse-affinen Vorgänger. Stilistisch waltet entsprechend der fliegende Wechsel von Raumausdehnung und -Beschränkung: Ganz Amerika ist zombifiziert, und obgleich den Protagonisten nun jeder Ort ein potentielles Refugium sein kann, bleibt in den Interaktionen der "Kamerablick" bedrückend nah an ihren Gesichtern.

Die pervertierte Freiheit gebiert Spielraum für die individuelle: im drastisch verkehrten Sinne ist nun tatsächlich zumindest vieles möglich; Grenzen sind im Sinne eines gesellschaftlich vorangetriebenen Exklusions- und Inklusionsprozesses zur identitären Selbstbestimmung unbedeutend geworden. Nun braucht es sie, um das eigene Überleben zu sichern.

291389_0_fa0526a1.jpg
Auge um Auge. Szene aus dem bislang letzten Band, Nummer 8.

© Illustration: CrossCult

Das lernt die immer wieder aufs neue dezimierte Gruppe auf ihrer Reise schmerzlich zu schätzen.Von einem an den Stadtrand verlegten Campingplatz, über ein Farmhaus, treibt es sie letztlich in die gesicherte Anlage eines Gefängnis. Manche sterben auf dem Weg, dafür finden sich stets neue Mitstreiter. Bei diesem Prozedere werden zudem einige Sujetmodifikationen eingeflochten: nicht bloß ein Biss, sondern der Tod an sich führt in die Übergangswelt des Zombiedaseins.

Nicht nur, aber insbesondere an dieser Stelle versprüht die Geschichte ihren eigentümlichen Reiz. So wie diese Erkenntnisse zu einem neuartigen Verhältnis gegenüber dem Tod führen, gilt dies auch gleichermaßen für das Verhältnis zum Leben und seiner zukünftigen Organisation.

Die in ihrer Verschränkung von Erzählzeit und erzählter Zeit meist recht restriktiv ausfallenden filmischen Vorbilder konnten lediglich eine Ahnung davon vermitteln, was die Apokalypse an neuen Umständen für das zukünftige Zusammenleben offeriert. Entweder, wie in "Dawn of the Dead", wurde unmittelbar auf sie reagiert, oder, wie in "Day of the Dead", sie musste vorausgesetzt werden.

In "Walking Dead" wachsen wir mit den Figuren in diese neuen Bedingungen. Das erscheint manchmal platt, etwa wenn übergangsweise ein weiteres Mal die Faschismusparabel bemüht wird, dann aber auch wieder sehr lebensnah, wenn etwa Beziehungsfragen einen ganz anderen Beigeschmack erhalten, da sich ein Ewigkeits-Versprechen unter Umständen auf wenige Monate beziehen kann und somit Alters- und Generationenunterschiede mehr und mehr obsolet erscheinen. Diese Ansätze einer Neuformierung des Zusammenlebens entwickeln sich im Handlungsverlauf von einer dezenten Ahnung fortwährend zur Gewissheit. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Weg beibehalten wird. So oder so bin ich dann aber doch mal erfreut, der Entwicklung einer noch nicht in Gänze durchgeplanten Serie beizuwohnen.

Robert Kirkman/ Tony Moore/ Charlie Adlard: The Walking Dead, Bd.1-8 (wird fortgesetzt, Band 9 erscheint auf Deutsch im September), je ca. 160 Seiten, Cross Cult, je 16 Euro.

Sven Jachmann

Zur Startseite