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Kultur: Curt Bois: Satyr auf Spitzen

Die größten Komiker des 20. Jahrhunderts waren eher kleine, zartwüchsige Menschen: Chaplin, Rivel, Allen zum Beispiel.

Die größten Komiker des 20. Jahrhunderts waren eher kleine, zartwüchsige Menschen: Chaplin, Rivel, Allen zum Beispiel. Zu ihnen gehört natürlich Curt Bois, der als das "Heinerle" in Berlin 1908 schon mit sieben ein Wunderknabe war - und später hat Fritz Kortner das zwerchfellerschütternde Kind von Traurigkeit, welches auch im erwachsenen Komiker steckt, nach einer Arbeit mit Bois ganz unvergesslich beschrieben: "Dieses manisch-depressive, selbstzerstörerische Geschöpf steht in seinem sechsundfünfzigsten Pubertätsjahr. Er muss schon im Mutterleib frenetisch komisch gewesen sein. Die Proben mit ihm bedeuten Wochen höchsten Berufsglückes und verzweifelter Mordlust. Er mahnte mich freundlich zur Ruhe, nachdem er mich feindselig zur Verzweiflung gebracht hatte. Das schauspielerisch Erlernbare schien ihm unerreichbar, das Unerlernbare ist ihm gegeben."

Von keinem und über keinen anderen Schauspieler gibt es auch so viele hinreißende Anekdoten. Die berühmteste entstammt natürlich wieder der Zusammenarbeit mit Kortner. In Hamburg probieren sie 1965 Molières "Eingebildeten Kranken", Bois spielt etwas vor, einen neuen Einfall, und Kortner protestiert, aufhören!, das ist furchtbar. Darauf Bois: Herr Kortner, Sie haben doch darüber gelacht! Und Kortner: Ja. Aber unter meinem Niveau.

Bois, der auf der Bühne ein Tänzer war, mit Gliedern und Worten, tanzte nie in der Reihe. Noch bevor 1933 der Reichtag brannte, ging der junge Bonvivant mit den schwermütig hinterwitzigen Augen ins Exil. Unter Max Reinhardt und Piscator hatte er gespielt, war Charleys Tante und ging am Arm der Dietrich, filmte, hatte in der Operette gesungen und im Kabarett vor Hitler gewarnt. Im Hollywood-Exil gab man ihm meist nur Nebenrollen (wie den "dark European" in "Casablanca"). Aber Brecht und Kortner haben ihn nach 1945 schnell fürs Theater wiederentdeckt, sein Puntila am BE ist Legende. Verletzt hat ihn nur manche Ignoranz im Westen (wo er nahe dem Olympiastadion bis zu seinem Tod 1991 wohnte): wenn Carl Raddatz in der Schillertheater-Kantine von Goebbels schwadroniert. Später aber, als greiser Homer, hat er Wim Wenders "Himmel über Berlin" verzaubert und jene Wüste, die der Potsdamer Platz vor dem Mauerfall war. Seinen 100. Geburtstag feiert er heute, mit einem homerischen Lächeln, hoch über Berlin.

P.v.B.

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