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Isabelle (Marine Vacth) in der Métro. Ein paar Schritte weiter, und sie wird sich in Léa verwandeln.

© Weltkino

"Jung & schön" von François Ozon: Das Callgirl, das noch zur Schule geht

Isabelle nennt sich Léa, testet ihren Wert bei Männern - und der ist hoch. François Ozons setzt in seinem Film "Jung & schön" ganz auf Schauwerte - und huldigt seiner Hauptdarstellerin Marine Vacth. Motive sind ihm nicht so wichtig.

Vielleicht steckt ein Vaterproblem dahinter, aber das bleibt Vermutung, „Jung & schön“ belegt nichts. Es gibt den leiblichen Vater, der kauft sich ab und zu mit Geldgaben von seiner Beziehungslosigkeit frei. Und es gibt den langjährigen Partner der Mutter, der sich patent raushält aus allem Papa-Gehabe gegenüber der Stieftochter, aber was sollte so ein Knuddelchen von Mann der heranwachsenden Isabelle schon zu sagen haben?

Mag sein, dass es diese doppelte Abwesenheit ist, potenziert durch eine irgendwie bloß proper vorhandene, nebenbei diskret fremdgehende Mutter, weshalb die 17-Jährige sich selbstständig macht mit einem Büro, das nur aus Handy und Laptop besteht. Und sich verwandelt in Léa, 20, Studentin und Callgirl. An einem Sommerstrand ist sie mithilfe eines netten jungen deutschen Touristen ihre Jungfräulichkeit losgeworden – oder hat sie sie nur verloren wie auf Reisen ein gleichgültiges Accessoire? Und im Herbst zieht sie sich nach der Schule Mamas feine Bluse über und besucht fortan solvente Freier im Hotel.

Isabelle spielt und will nur spielen, vielleicht ist es das. Sie testet ihren Wert bei Männern, und der ist hoch. Diesen Leuten, von denen sie sich teilnahmslos benutzen lässt, bietet sie eine betörende Hülle, aber den Lohn dafür, ein Bündel grün schimmernder Euro-Scheine, gibt sie nicht aus. Lieber hortet sie das Geld tief im Kleiderschrank, dort, wo die Polizei und die Familie es dann doch eines Tages entdecken. Denn ein Kunde, den man sich wie einen schmalen, soignierten Cousin von Dominique Strauss-Kahn vorstellen darf, ist beim Sex dahingestorben – ein schöner Tod, oder auch nur ein hübscher.

Die schmolllippige Marine Vacth, in Frankreich bereits als Wiedergängerin der jungen Brigitte Bardot gefeiert, ist diese jenseits ihres verfügbaren Körpers so unfassliche, unbegreifbare Isabelle. Die 22-Jährige spielt das disponible Mädchen cool, ohne eigentliche Regung, und als das Drehbuch denn doch eine gewisse Erschütterung von ihr fordert, erscheint auch sie bloß sorgfältig auf das Gesichtchen aufgeschminkt. Auch mit Luis Buñuels „Belle de Jour“, 1967 auf andere Weise sensationell von Catherine Deneuve verkörpert, bringt der Verleih „Jung & schön“ gerne in Verbindung. Aber der Vergleich geht fehl. Die Filmfigur Isabelle/Léa treibt nichts, und in sie schreibt sich keinerlei Schmerz und nicht einmal die Schmerzlust ein.

François Ozon, der eleganteste unter den französischen Filmemachern, erzählt diese Nichtgeschichte in dem für ihn typischen, leicht amüsierten Ton – und die Bilder, die sein Kameramann Pascal Marti dafür findet, sind erlesen perfekt. Schon die Exposition in Südfrankreich erinnert an Ozons ungleich brillanteren „Swimming Pool“ (2003), aber da war es Charlotte Rampling, die als britische Krimiautorin mit Schreibblockade an der von Ludivine Sagnier bedenkenlos vorgeführten Libertinage verzweifelte. Rampling hat auch in „Jung & schön“ ihren Auftritt, aber er kommt spät, zu spät.

So viel Makellosigkeit, so viel Glätte. Irgendwie wollen die neueren französischen Filme, die von den Callgirls auf eigene Rechnung erzählen, darüber hinaus, aber verfangen sich dann doch bloß lustvoll in der Dekoration. Sogar Malgorzata Szumowskas mit dem Dokumentarischen spielender „Elles“ (2011), der Juliette Binoche als Reporterin ins Milieu schickte, gibt sich bald dem Oberflächenreiz seines Gegenstands geschlagen. Und so verweist, so befremdet sei’s gesagt, am Ende die Käuflichkeit der Mädchen nur auf die Käuflichkeit der Kinokarte.

Im Original heißt der Film übrigens – feiner Unterschied – „Jeune et jolie“, jung und hübsch; nicht nur, dass das gut klingt im Französischen, es ist auch sonst ein schöner Titel.

Cinemaxx, FaF, Kulturbrauerei, Yorck, Rollberg; OmU: Bundesplatz, Cinema Paris, Eiszeit, Hackesche Höfe, Moviemento

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