Kultur: Das Meeresfrüchtchen
Comeback nach 10 Jahren: „Mr. Bean macht Ferien“
Stand:
Er kann halt nicht anders. Wenn er am Bahnsteig in Paris zurückbleibt, weil ihm der Zug vor der Nase weggefahren ist, weil er zuvor von einem Sandwich-Automaten an der Krawatte festgehalten wurde, weil er diese Krawatte versehentlich in den Notenschlitz des SandwichAutomaten gesteckt hatte, weil er in die Spitze dieser Krawatte seine Euros eingenäht hatte … wenn er sich also tierisch aufregt, den Unterkiefer vorschiebt, mit den Füßen stampft und quiekt wie ein Donald-Duck-Synchronsprecher, dann spielt er seine Rolle. Jemand anderen als Mr. Bean kann Mr. Bean alias Rowan Atkinson nicht spielen.
Glücklicherweise rankt sich um die trottelig-naive Komik des Protagonisten in „Mr. Bean macht Ferien“ ein aufwendiges Drehbuch, so dass der Unterhaltungswert des Films nicht allein davon abhängt, wie wohlgelitten Atkinsons altbekannter Slapstick beim Zuschauer noch ist. Oder sollte man sagen wieder? Immerhin war die Figur des egoistischen Tollpatsches zehn Jahre lang in keiner neuen Produktion zu sehen. Dank Endloswiederholungen dürfte sich die dümmliche Gerissenheit Mr. Beans einen festen Platz im massenkulturellen Koordinatensystem erarbeitet haben. Niemand hat ihn vergessen. Aber hat man ihn vermisst?
Eine Reihe (un-)glücklicher Verstrickungen beschert dem Briten nun eine Urlaubsreise quer durch Frankreich. An dieser Steilvorlage für kulturelle Missverständnisse hangelt sich Bean entlang, bis er auf dem Festival von Cannes mit seinem eigenhändig gefilmten Roadmovie triumphiert. Zuvor hat er Langusten samt Panzer und Scheren verzehrt, den Marktplatz von Avignon mit einer Operettenpantomime begeistert, die Dreharbeiten einer Joghurtwerbung sabotiert, eine landesweite Polizeifahndung ausgelöst und so weiter und so lustig. Erfrischende – weil vom Hauptdarsteller ablenkende – Figuren sind der russische Junge Stepan (Max Baldry) und die französische Jungschauspielerin Sabine (Emma de Caunes). Stepan verliert seinen Vater in Paris aus den Augen und tingelt nun mit Bean und einer Hippie-Band Richtung Süden. Sabine gibt die freche Mademoiselle und nimmt die beiden auf der letzten Etappe mit. Die Komödie gewinnt an Fahrt, schwelgende Filmmusik und großartige Landschaftsbilder inklusive.
Ob man den englischen Kindskopf vermisst hat? Die Frage gerät in den 90 Filmminuten in Vergessenheit. Ein gutes Zeichen.
In 23 Berliner Kinos, OV im Cinestar Sony-Center
Tobias Haberkorn
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: