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Kultur: Das Nachtstück ein Bruchstück

Orchester der Deutschen Oper mit Peter-Ruzicka-UraufführungVON ALBRECHT DÜMLINGAuseinandersetzungen mit dem Formproblem durchziehen das Schaffen von Peter Ruzicka.Obwohl er vorübergehend bei dem Schweden Allan Pettersson neue Modelle für geschlossene Formen gefunden hatte, setzte sich schließlich doch wieder die Tendenz zum Fragmentarischen durch.

Orchester der Deutschen Oper mit Peter-Ruzicka-UraufführungVON ALBRECHT DÜMLINGAuseinandersetzungen mit dem Formproblem durchziehen das Schaffen von Peter Ruzicka.Obwohl er vorübergehend bei dem Schweden Allan Pettersson neue Modelle für geschlossene Formen gefunden hatte, setzte sich schließlich doch wieder die Tendenz zum Fragmentarischen durch.Seiner neuesten Orchesterkomposition, einem Auftragswerk der Deutschen Oper Berlin, gab Ruzicka den Titel "Nachtstück (-aufgegebenes Werk)".Wie in den Fünf Bruchstücken, die 1988 vom Berliner Philharmonischen Orchester uraufgeführt wurden, hob er damit den Status des Unvollendeten hervor.In einer von Formkonventionen befreiten Gegenwart hat freilich das Fragmentarische an Schockwirkung und Triftigkeit eingebüßt.Fast wird es sogar wieder als neue Konvention empfunden.Diesem Dilemma, das etwa bei den Fünf Bruchstücken zutagetrat, begegnet Ruzicka in seinem neuen Stück durch einen Auflösungsprozeß anderer Art.Die konventionelle Dreiteiligkeit, die dem Einbruch dunkler Gewalt in einen hellen Raum korrespondiert, durchkreuzte er durch ungewohnte Aufstellung.Die schon in den Bruchstücken wie von fern ("lontano") spielende Trompete trennte er nun auch räumlich vom Podium.Uwe Köller vollbrachte mit seinem anspruchsvollen Trompetensolo, bestehend aus variiert wiederkehrenden großräumigen Signalen, eine Spitzenleistung.Dem Orchester blieb dagegen ein fragmentarisch ausgedünnter, nur aus wenigen Elementen (Flageolett-Tönen und Arpeggien) bestehender Satz, dessen Statik auch der bewegtere Mittelteil kaum durchbrach.Obwohl Anton Bruckner seine Symphonien mehrfach umarbeitete, wich er niemals vom Ziel der geschlossenen Form ab.Dies gilt nicht zuletzt für seine große Symphonie Nr.5 B-Dur, die erst im Finale ihre Erfüllung findet.Für den Dirigenten ergibt sich daraus die Aufgabe, alles Vorangehende vorbereitend zu diesem Ziel hinzuleiten.Im leider nur zur Hälfte besetzten Großen Saal des Schauspielhauses profilierte Christian Thielemann die einzelnen thematischen Abschnitte mit viel Klangsensibilität gegeneinander.Der Beginn des ersten Satzes aus dem fast unhörbaren Streicherklang, die enorme Steigerung zum Choral hin sowie die plastische Gestaltung des Cello-Hauptthemas waren vielversprechend.Dennoch fügten sich die einzelnen Bausteine nicht zum großen Ganzen zusammen.Abgesehen vom Seitenthema des Adagio-Satzes kam es erst im riesigen Schlußsatz zur weitgestaffelten, auch dynamisch differenzierten Entwicklung.Nach Bruckners kontrapunktischem Meisterstück, der Doppelfuge, schmetterten die Trompeten, darunter der nun auf der Bühnenmitte plazierte Uwe Köller, klangprächtig den krönenden Bläserchoral.Dieses auch interpretatorisch vollendete Finale ließ Thielemanns vorangehende Formprobleme weitgehend vergessen.

ALBRECHT DÜMLING

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