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Der Dirigent Philippe Herreweghe in der Berliner Philharmonie. 

© Jakob Tillmann

Das Orchestre des Champs-Élysées beim Musikfest Berlin: Von rhythmischem Flüstern bis zum mächtigen Fortissimo

Klangliches Feuerwerk in der Philharmonie: Philippe Herreweghe dirigiert das Orchestre des Champs-Élysées und Collegium Vocale Gent

Von Tye Maurice Thomas

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„Ich bin entzückt, sooft ich ein neues Werk von Ihnen vernehme und nehme größern Anteil daran als an meinen eigenen; kurz, ich ehre und liebe Sie“, schrieb Beethoven an Luigi Cherubini, den er 1805 kennenlernte und dem er seitdem freundschaftlich verbunden blieb. Um den seinerzeit hochberühmten Cherubini, den Beethoven den größten lebenden Komponisten nannte, ist es seitdem still geworden. Am Freitag, im Rahmen des Musikfests Berlin, spüren das Orchestre des Champs-Élysées und das Collegium Vocale Gent unter Philippe Herreweghe der Verbindung der beiden Komponisten nach.

Der erste Teil des Konzerts ist der 3. Symphonie von Beethoven, der „Eroica“, gewidmet und hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Herreweghe, bei allen unbestreitbaren Verdiensten als Gründer des Collegium Vocale, ist einfach kein Orchesterdirigent. Sein Dirigat ist viel zu klein und hat keine Spannung, demzufolge keinen nennenswerten Einfluss auf das Orchester. Stattdessen übernehmen die Stimmführer mit körperlicher Gestik diese Aufgabe, allen voran der Konzertmeister.

Ich bin entzückt, sooft ich ein neues Werk von Ihnen vernehme und nehme größern Anteil daran als an meinen eigenen.

Ludwig van Beethoven an den Komponisten Luigi Cherubini

Im ersten Satz wählt Herreweghe zwar ein angenehm schwungvolles Tempo, kann dieses aber nicht immer einhalten. Phrasen werden oft nicht ausmusiziert, Übergänge hektisch weitergeführt. Besonders die fabelhaften Holzbläser kommen so nicht zur Geltung. Der berühmte Trauermarsch des zweiten Satzes bleibt statisch, die Tempowechsel bleiben unverständlich.

Wie ausgewechselt wirkt dagegen der energiegeladene dritte Satz! Hier entfesseln die 49 Musiker auf historischen Instrumenten ein klangliches Feuerwerk, welches das Publikum bis zum etwas zu furiosen Finalsatz nicht loslässt.

Mit düsteren Klängen läutet Cherubinis Requiem c-Moll für Chor und Orchester von 1817 den zweiten Teil des Konzerts ein. Cherubini verzichtet ganz auf Solostimmen und Virtuosität, sein Requiem berührt durch Klarheit und Verständlichkeit. Beethoven wünschte sich das innig-tröstliche Werk zu seiner Beerdigung, auch Schumann und Brahms schätzten es sehr.

Das Collegium Vocale Gent (Einstudierung: Maria van Nieukerken) überzeugt mit makelloser Diktion und beeindruckend opulentem Klang. Besonders in dramatischen Sätzen wie dem „Dies Irae“ arbeiten die 32 Sänger die Kontraste zwischen ätherischem Schweben und zupackender Dramatik zielsicher heraus. Zum nervösen Tremolo der Streicher steigern sie sich von rhythmischem Flüstern bis zum mächtigen Fortissimo des „Tuba Mirum“ – ein atemberaubender Moment!

Anrührend entspinnt sich später im „Sed signifer sanctus Michael“ das Duett der Sopran- und Tenorstimmen. Die „Quam olim Abrahae“-Fuge wiederum entfaltet polyphone Pracht. Der fast ausverkaufte Große Saal der Philharmonie reagiert mit euphorischem Jubel.

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