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Stille Widerständler. Otto Quangel (Brendan Gleeson) und seine Frau Anna (Emma Thompson).

© dpa

"Alone in Berlin" auf der Berlinale: Das Paar aus dem Wedding, das gegen die Nazis war

Die Fallada-Verfilmung "Alone in Berlin" ist marktgängig. Doch anders als in der Vorlage sind Gut und Böse nicht klar getrennt. In einer problematischen Rolle: Daniel Brühl.

Zu behaupten, die neueste Kinoversion von Hans Falladas letztem Roman „Jeder stirbt für sich allein“ sei neben „24 Wochen“ der zweite deutsche Wettbewerbsbeitrag dieser Berlinale, wäre wohl übertrieben. Aber nur ein bisschen. Schließlich geht es um einen deutschen Stoff, wurde in Deutschland gedreht, gehören die Berliner X-Filmer zu den Produzenten und wurde das Werk aus fünf deutschen Subventionstöpfen mit über fünf Millionen Euro gefördert.

Andererseits. Gesprochen wird in „Alone in Berlin“, so der Originaltitel, durchweg Englisch. Ein insofern kurios homogenes Englisch, als die beträchtlich beteiligten deutschen Schauspieler jeweils so makellos wie möglich artikulieren, während die Angelsachsen am Set ihrem naturwüchsigen Timbre einen aparten deutschen Akzent beimischen. Schließlich sollen sie allesamt Deutsche darstellen, das Werkmeisterehepaar Otto und Anna Quangel (Brendan Gleeson und Emma Thompson) an erster Stelle.

Teil der Wertschöpfungskette

Die internationale Produktion, die fünfte Verfilmung des Stoffs um das Paar, das – based on an true story – 1940 bis 1942 mit dem Auslegen von selbst beschrifteten Anti-Hitler-Postkarten in Berliner Treppenhäusern Widerstand leistete, hat ihren kommerziellen Sinn. Denn Falladas Roman von 1947 war vor sechs Jahren nach seiner erstmaligen Übersetzung ins Englische zu einem Überraschungs-Weltbestseller avanciert. Da gehört eine neue Verfilmung zwangsläufig zur Wertschöpfungskette.

Deutschland Ost und Deutschland West hatten bereits in früherer Nachkriegszeit nationale Geschichtsbewältigungsarbeit geleistet, zuletzt in Alfred Vohrers Version mit Hildegard Knef und Carl Raddatz. Das tschechische Fernsehen sendete 2004 einen Dreiteiler; danach schien das Thema historisch erschöpfend erledigt.

Der nun von Vincent Perez nach einem Drehbuch von Achim und Bettine von Borries inszenierte Nachläufer erzählt die Geschichte bewusst wie eine Überlieferung aus entfernter Vergangenheit. In einem so aufwendigen wie sorgfältigen Setting entwickelt sich, leider untermalt von einem bald bombastischen Score, zunächst zurückhaltend das Drama des Paares, das nach dem Tod seines Sohnes im „Frankreichfeldzug“ in seine eigene, rührende und tragische Mini-Schlacht gegen Hitler zieht. Wobei der Film nicht unterschlägt, dass erst der Verlust des einzigen Kindes die Mitmacher zu Gegnern macht. In einem Buch findet Otto Quangel eine Hitler-Postkarte und übermalt den Schriftzug „Führer“ in „Lügner“, und seine Frau ist anfangs bei der NS-Frauenschaft propagandistisch unterwegs.

Klaglos und würdevoll bis zum bitteren Ende

Mit feinen Strichen auch skizziert Perez, der bislang vor allem als Schauspieler hervorgetreten ist, das auf viele Worte nicht angewiesene Vertrauensverhältnis zwischen den Eheleuten. Brendan Gleeson als Berg von einem Mann und Emma Thompson als seine zarte Partnerin machen ihre Sache als zwei ohne Aufhebens zum Äußersten Entschlossene sehr gut. Nirgends eine Spur jener „proletarischen Heul-Duse“, als die der um eine muntere Bosheit nie verlegene Hellmuth Karasek noch das Spiel Hildegard Knefs in der Vohrer-Verfilmung von 1975 geschmäht hatte. Die beiden gehen den Weg, über dessen Risiko zum tödlichen Ausgang sie sich in aller Stille bewusst sind, klaglos und würdevoll bis zum bitteren Ende.

Problematischer schon, wie in „Alone in Berlin“ der Gestapo-Fahnder Escherich (Daniel Brühl) zum gemischten Charakter hochgejazzt wird. Wo bei Hans Fallada Gut und Böse feinsäuberlich getrennt agieren, darf der kriminalistisch versierte Ober-Nazi, der die Quangels immerhin dienstlich dem Volksgerichtshof zwecks Verhängung des üblichen Todesurteils zuführt, eine gewisse menschliche Größe entwickeln – bis hin zur finalen Selbstentleibung. Die dramaturgische Motivation hierfür wird mit dem Holzhammer in die Zuschauerhirne genagelt. Hier war wohl der seltsamerweise wieder modische Wunsch zur deutschen Vergangenheitsverkleisterung der Vater der Gedankenlosigkeit.

Über 200 Postkarten hat das reale Weddinger Ehepaar Otto und Elise Hampel in mehreren Bezirken Berlins ausgelegt, bevor es nach zwei Jahren gefasst wurde. Weit kamen die beiden nicht mit ihrem Aufrüttelungsimpuls, die meisten Karten wurden von den nazitreuen Deutschen sogleich bei den Strafverfolgungsbehörden abgeliefert. Verbürgt ist aus den Gestapo-Akten außerdem, dass die Eheleute sich nach der Verhaftung gegenseitig belasteten, um der Todesstrafe - sie wurde Anfang 1943 in Plötzensee vollstreckt - zu entgehen. Hier aber hat jede Sentimentalität, die auch Emma Thompson und Brendan Gleeson tapfer aus ihren Rollen in diesem insgesamt soliden Spielfilm herauszuhalten suchen, ein Ende. Hier beginnt die Wirklichkeit.

16.2., 10 Uhr (HdBF), 12 und 18 Uhr (Friedrichstadt-Palast); 18.2., 18.30 Uhr (Babylon Kreuzberg)

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