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PAUKEN & Trompeten: Das verflixte zweite Mal

Dmitri Schostakowitsch hielt vermutlich nicht viel von Statistik. Denn sonst hätte er sich wohl nie darangemacht, dem Erfolg seiner drei ersten Konzerte für Klavier, Violine und Cello jeweils noch ein Nachfolgewerk hinterherzuschicken.

Dmitri Schostakowitsch hielt vermutlich nicht viel von Statistik. Denn sonst hätte er sich wohl nie darangemacht, dem Erfolg seiner drei ersten Konzerte für Klavier, Violine und Cello jeweils noch ein Nachfolgewerk hinterherzuschicken. Denn rein statistisch gesehen ist die Gefahr des Scheiterns am größten, wenn ein Komponist versucht, einem erfolgreichen Solokonzert eine Nummer zwei folgen zu lassen. Max Bruchs zweites Violinkonzert? Ein Mega-Flop. Saint-Saëns’ zweites Cellokonzert? Fast vergessen. Selbst bei den drei Klavierkonzerten, zu denen sich Tschaikowsky breitschlagen ließ, geht die Qualitätskurve von Nr. 1 bis Nr. 3 eindeutig nach unten. Was wohl daran liegt, dass ein Komponist schon beim ersten Konzert seine grundsätzlichen Gedanken zum jeweiligen Soloinstrument formuliert und alles andere dann nur ein Aufguss ist.

Es sei denn, er schreibt für ein Instrument, dass er selbst so virtuos beherrscht, dass sich seine Kreativität immer wieder an der reinen Spielpraxis entzünden kann – weshalb der Pianist Beethoven fünf Klavierkonzerte, aber nur ein Violinkonzert schreiben konnte. Natürlich merkt man auch bei Schostakowitsch, dass das zweite Mal ihm deutlich schwerer gefallen ist. In der Publikums- und Interpretengunst stehen das zweite Klavier-, Violin- und Cellokonzert deutlich hinter ihren Vorgängern zurück. Und zumindest in zwei Fällen hat der Komponist auch ein wenig gemogelt, indem er einfach die Aufgabestellung veränderte: Sein zweites Klavierkonzert ist nur ein leichtgewichtiges Concertino für seinen damals 14-jährigen Sohn Maxim. Und das zweite Cellokonzert ist eigentlich kein Konzert im ursprünglichen Sinn eines Dialogs zwischen Soloinstrument und Orchester.

Stattdessen schrieb Schostakowitsch einen halbstündigen, nur von einem kurzen Intermezzo unterbrochenen Monolog, bei dem das Orchester lediglich den Hallraum bildet, der die Einsamkeit des Soloinstruments noch spürbarer werden lässt. Das macht das Stück zwar nicht so effektvoll wie das zackige erste Cellokonzert, besitzt aber in guten Aufführungen eine beklemmende Düsternis. Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag spielen Yo-Yo Ma und die Berliner Philharmoniker das spröde Stück. Und wenn Sie anschließend eine Menge trauriger Menschen aus der Philharmonie wanken sehen, wissen Sie, was Sie verpasst haben.

Jörg Königsdorf

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